Für 9 von 10 Unternehmen in Deutschland ist Personalmangel die größte Hürde bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Das zeigt eine neue Studie der EQS Group in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ansbach. Während Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich nur ein geringes Risiko für LkSG-Verstöße sehen, schätzen sie dieses bei ihren mittelbaren Lieferanten deutlich höher ein. Seit Inkrafttreten des LkSG hat fast jedes zweite Unternehmen mindestens eine Beschwerde erhalten. Auch bei der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU rechnen Unternehmen laut Studienergebnissen damit, dass ihre personellen und finanziellen Ressourcen nicht für eine vollumfängliche Umsetzung ausreichend werden. 

 

Personalmangel bremst LkSG-Umsetzung

Obwohl viele Unternehmen das LkSG bereits implementiert haben, bleibt der Personalmangel eine zentrale Hürde. 89 Prozent der befragten Unternehmen sehen die begrenzte Verfügbarkeit von Personal als größte Herausforderung, ein signifikanter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (60 Prozent). In den meisten befragten Unternehmen kümmern sich 1 bis 5 Mitarbeitende aus den Bereichen Compliance, Einkauf oder Recht um die Umsetzung des Gesetzes.

87 Prozent der Unternehmen haben ein Risikomanagement für potenzielle menschen- und umweltrechtliche Verstöße in ihrer Organisation implementiert. Als digitale Lösung dafür nutzen 58 Prozent Excel. 34 Prozent setzen auf eine spezielle Softwarelösung.  

 

Wahrgenommenes Risiko nimmt entlang der Lieferkette zu

94 Prozent der Unternehmen sehen in ihrem eigenen Geschäftsbereich nur ein geringes oder sehr geringes Risiko für LkSG-Verstöße. Auch bei unmittelbaren Lieferanten schätzen 85 Prozent das Risiko als gering ein. Für mittelbare Lieferanten steigt die Risikoeinschätzung hingegen deutlich: Nur noch 27 Prozent der Unternehmen glauben, dass bei ihren mittelbaren Lieferanten nur ein geringes Risiko für LkSG-Verstöße besteht; 62 Prozent sehen ein mittleres Risiko.

Neben dieser Risikoeinschätzung zeigt die Studie, dass in 46 Prozent der befragten Unternehmen seit Inkrafttreten des LkSG bereits mindestens eine Beschwerde in Bezug auf das Gesetz eingegangen ist. Gut ein Viertel (26 Prozent) dieser Meldungen wurde anonym eingereicht. Weitere Beschwerden stammen vor allem von Mitarbeitenden (25 Prozent), Dritten (20 Prozent) oder Betroffenen (19 Prozent).

“Viele Unternehmen haben ihre unmittelbaren Lieferanten bereits gut im Blick, jedoch steigt die Unsicherheit bei den weiter entfernten Gliedern der Lieferkette deutlich. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar, verdeutlicht aber auch den steigenden Handlungsbedarf”, erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Stefanie Fehr von der Hochschule Ansbach. “Eine gezielte und effiziente Ressourcennutzung ist entscheidend, um die Anforderungen sowohl des LkSG als auch der CSDDD erfolgreich zu bewältigen und unvorhergesehene Risiken frühzeitig zu adressieren.”

 

Fehlende Ressourcen auch bei CSDDD-Umsetzung

Auch im Hinblick auf die CSDDD, die über die Anforderungen des LkSG hinaus geht und die rechtlichen Rahmenbedingungen verschärft, beklagen Unternehmen unzureichende Ressourcen. Die EU-Richtlinie muss bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. 57 Prozent der befragten deutschen Unternehmen haben sich zum Zeitpunkt der Befragung bereits mit der CSDDD auseinandergesetzt, obwohl die Richtlinie noch nicht veröffentlicht war. 84 Prozent bewerten die Umsetzung auf einer Skala von 1 (problemlos) bis 5 (schwierig) mit 3 oder höher, was auf signifikante Unsicherheiten hindeutet.

Als größten Hindernisse nennen Unternehmen auch hier fehlende Ressourcen wie Personal, finanzielle Mittel oder IT-Systeme, sowie die hohen Anforderungen an die Dokumentation und intransparente Lieferketten. Dennoch wollen 72 Prozent keine zusätzlichen Mittel für die Umsetzung der CSDDD bereitstellen. Nur 17 Prozent planen, zusätzliches Personal einzustellen, und lediglich 10 Prozent planen den Einsatz neuer digitaler Tools.

 

Wirtschaftliche Chancen durch das LkSG

Trotz der Herausforderungen sehen Unternehmen auch Chancen in Lieferkettengesetzen. 52 Prozent glauben, dass die Umsetzung der LkSG-Anforderungen die Möglichkeit bietet, Werte und Verantwortung in ihrer Wertschöpfungskette zu stärken. 30 Prozent sind der Ansicht, dass das Gesetz ihnen hilft, Aufträge zu sichern, und 28 Prozent sehen Vorteile im Hinblick auf ihre Reputation.

“Unternehmen sehen die Komplexität globaler Lieferketten vor allem als Hürde, aber sie birgt auch enormes Potenzial für den Aufbau nachhaltiger Strukturen”, sagt Achim Weick, Gründer und CEO der EQS Group. “Mit dem LkSG und in Vorbereitung auf die CSDDD bietet sich die wertvolle Gelegenheit, nicht nur den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch das Vertrauen von Geschäftspartnern und Kunden zu festigen. Wer jetzt in Transparenz und Verantwortung investiert, schafft sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil. Dafür müssen Unternehmen aber weitere Investitionen tätige, zum Beispiel in digitale Lösungen, mit welchen sie personelle Engpässe ausgleichen können.”

Für 54 Prozent der nach LkSG verpflichteten Unternehmen sind menschen- und umweltrechtlichen Aspekte in der Lieferkette relevante Auswahlkriterien für Lieferanten. Dafür haben sie neben den Sorgfaltspflichten des LkSG verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Menschenrechte und des Umweltschutzes in der Lieferkette verankert, vor allem einen Supplier Code of Conduct (41 Prozent), Lieferantenbefragungen (26 Prozent) und Audits (21 Prozent).

 

Methodik

Für die Studie wurden von Mai bis Juni 2024 mehr als 400 repräsentativ nach Branchen, Mitarbeiterzahl und Umsatz ausgewählte Unternehmen in 7 europäischen Ländern befragt. Etwa 60 Prozent der Studienteilnehmer sind Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland. Die weiteren Teilnehmer stammen aus Großbritannien, Spanien, Frankreich, Italien, Dänemark und der Schweiz.

 

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