Klaus M. Leisinger, Integrität im geschäftlichen Handeln. Friedrich Reinhard Verlag: 2020.
Dieses Buch ist eine “Summa” der Wirtschafts- und Unternehmensethik. Es präsentiert die kondensierte praktische Erfahrung und reflektierte theoretische Verarbeitung der Theorie- und Praxisdiskussionen der letzten drei Jahrzehnte in diesem Bereich des Wissens und Handelns. Klaus M. Leisinger war von Anfang an dabei – als Professor für Soziologie an der Universität Basel, als Direktor des Ciba-Geigy-Konzerns für Ost- und Zentralafrika, als Gestalter und Führungspersönlichkeit der Novartis Stiftung, als hochrangiger Akteur der Global Compact Initiative und im Leadership Council des UN-SDS-Netzwerkes, als Vorsitzender des Kuratoriums des DNWE, als Gründer und Präsident der Stiftung Globale Werte Allianz – um nur einige Stationen seines Engagements zu benennen. Er konnte und wollte immer schon auf “beiden Schultern tragen”. Die Vermittlung von praktischem ethischem Engagement von Unternehmen und ihrer Führungspersönlichkeiten und dessen theoretischer Einordnung im wissenschaftlichen Diskurs sind ihm bis heute wichtig. Dass er das wie kaum ein anderer kann, davon zeugt einmal mehr sein neues Buch “Integrität im geschäftlichen Handeln”.
Die Perspektive, aus der das Buch geschrieben ist, ist die des aufgeklärten “prinzipienbasierten Pragmatismus”. Da ist auf der einen Seite die individuelle Motivation des ethischen Handelns, also das eigene Gewissen, der Anspruch an die eigene Würde und der gute Wille, die für eine gelingende unternehmensethische Praxis Voraussetzung sind. Auf der anderen Seite steht die spezifische Situation, also die betriebswirtschaftlichen Realitäten, die gesellschaftlichen und kulturellen Ordnungsstrukturen und die sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten, an denen sich die individuelle Motivation bewähren muss. In dieser Konstellation sind Erfolge für die ethische Sache möglich, Scheitern allerdings auch. Ethisches Handeln ist für Klaus M. Leisinger immer freiwillig, ein “Marathonlauf mit vielen Steigungen”, der “Idealismus ohne Illusion und Realismus ohne Resignation” verlangt. Dafür braucht es, speziell in den Führungsetagen der Unternehmen, Fachwissen, Expertise und Charakter gepaart mit “ethischer Musikalität und moralischer Vorstellungsgabe”. Das ist, knapp zusammengefasst, der Basso continuo des Buches.
Es setzt ein mit einer knappen Gegenwartsanalyse der ethischen Herausforderungen, die ein Vertrauensdefizit in der Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft diagnostiziert. Vertrauen aber ist die Voraussetzung sowohl für wirtschaftlichen Erfolg als auch gesellschaftlichen Frieden. Vertrauen, dessen Erwerb und Verlust, ist für Klaus M. Leisinger der entscheidende Wert, von dem aus sich eine moderne Wirtschafts- und Unternehmensethik entwickeln lässt. Deren wichtigste Begriffe und die konkurrierenden Möglichkeiten ihrer philosophischen Begründung werden dann informativ, kompetent und in ihren divergierenden praktischen Konsequenzen anschaulich eingeführt. Der Ton des Buches ist hier, wie auch in allen anderen Teilen, nicht das “Vernünfteln”, sondern das Streben nach Klarheit und Verständlichkeit für Leser aus allen Bereichen der Gesellschaft. In den folgenden Kapiteln werden auf dieser Grundlage die Fragen nach der Zuschreibung von ethischer und gesellschaftlicher Verantwortung in diesen Bereichen aufgeworfen. Die Notwendigkeit und Legitimität der Arbeitsteilung zwischen den Akteuren der moralischen Arena – dem Staat, dem Unternehmen und dem Individuum – werden begründend entwickelt und an praktischen Beispielen illustriert. Besonders das Management von Stakeholder-Beziehungen und die Anforderungen an Charakter und Führungspersönlichkeit, ganz im Geiste Erich Fromms, werden erörtert. Ist Ethik gut fürs Geschäft? Es gibt für Klaus M. Leisinger keine einfache Kausalität im Sinne von “Good Ethics is Good Business”, aber die Orientierung an ethischen Werten ist notwendigerweise systematischer Bestandteil einer guten, das heißt wirtschaftlich erfolgreichen und gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmensführung.
Das Buch ist klar und anschaulich geschrieben, ohne Abstriche an der Solidität der Vermittlung theoretischen Wissens hinzunehmen. Es ist lehrreich für Theoretiker und Praktiker, für Studenten und Manager, als Hinführung und Vertiefung. Die Sprache zielt auf Verständlichkeit komplexer praktischer Zusammenhänge und das Wecken von theoretischem Interesse. Nicht zuletzt ist es eine auf gelingende menschliche Lebensführung und Sinnstiftung zielende Orientierung für Menschen, die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen.
Über Prof. Wieland
Prof. Dr. Josef Wieland
Josef Wieland ist Professor für Institutional Economics, Organisational Governance, Integrity Management & Transcultural Leadership und Direktor des Leadership Excellence Institute Zeppelin sowie seit 2017 Vizepräsident Forschung an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Von 2012 bis 2018 war er Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik und steht heute dem Kuratorium vor. Er ist Mitglied des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierten CSR-Forums der Bundesregierung, Co-Leiter der Lenkungsgruppe “Berliner CSR-Konsens” und hat an der Entwicklung des Standards ISO 26000 mitgearbeitet.
Prof. Dr. Josef Wieland ist Träger des Max-Weber-Preises für Wirtschaftsethik 1999 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln sowie des Preises für Angewandte Forschung (Landesforschungspreis) Baden-Württemberg 2004. Seit 2005 ist er Mitglied des Kuratoriums für die Vergabe des Max-Weber-Preises für Wirtschaftsethik.