Die Debatte um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – kurz CSR – ist nicht neu, befindet sich jedoch seit geraumer Zeit im Wandel. Der Ukraine-Krieg hat eine Frage in den Fokus gerückt, die auch außerhalb dieses Konfliktes relevant ist: Wie verhalten sich Unternehmen in Kriegszeiten? Und aus wirtschaftsethischer Sicht vor allem die Frage: Wie sollen oder sollten sich Unternehmen in politischen Fragen verhalten? Kurz: Wie beschreiben wir die Corporate Political Responsibility? Zu diesem Thema haben wir 5 Fragen an … Dr. Norbert Taubken.

 

(1) Wo beginnt für Sie “politisches Engagement von Unternehmen” und an welche Beispiele denken Sie?

Dr. Norbert Taubken: Unternehmen sind immer auch Teil unserer Gesellschaft. Haltung ist daher gefordert, wenn es um die politischen Rahmenbedingungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens geht. Hier erwarte ich von Unternehmen ein klares Einstehen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und demokratische Werte und Prinzipien wie Gleichheit aller Menschen, Wertschätzung von Vielfalt, Chancengerechtigkeit, Freiheit im Handeln, Beteiligung und Mitwirkung.

Demokratische Werte sind Voraussetzung für das Erfolgsmodell einer sozialen Marktwirtschaft, das von Unternehmen nicht nur Verantwortungsübernahme einfordert, sondern ihnen zugleich die Freiheit für unternehmerisches Handeln bietet. Wenn Demokratie in Gefahr ist, droht das Grundprinzip sozialer Marktwirtschaft zu erodieren. Hier sind klare Signale in die Gesellschaft hinein gefordert. Aber auch nach innen müssen Unternehmen Position beziehen.

 

(2) Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Legitimität des politischen Engagements von Unternehmen bestellt? Was ist angemessen und was nicht?

Dr. Norbert Taubken: Politisches Engagement ist dann begründet und sinnvoll, wenn diese sich auf die Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft bezieht, übergreifend entwickelt und einen wertebezogenen Kompass für das Unternehmen darstellt. Dieser Kompass beeinflusst die eigene Unternehmenskultur. Er gibt Orientierung und Klarheit nach innen und kann Identifikation für die Mitarbeitenden schaffen.

Politisches Engagement ist nicht im Sinne einer parteipolitischen Positionierung zu verkürzen. Hier gilt es eine Pluralität an Meinungen zuzulassen. Auf keinen Fall sollte ein Unternehmen Wahlempfehlungen abgeben. Es kann jedoch auf gesellschaftliche Werte und Rahmenbedingungen hinweisen, die aus Sicht des Unternehmens für seine Geschäftstätigkeit und den Unternehmenserfolg langfristig wichtig sind.

 

(3) Welche Grenzen hat politisches Engagement von Unternehmen und wann kann es auch gefährlich und schädlich sein?

Dr. Norbert Taubken: Auch mit Blick auf extreme parteipolitische Positionen dürfen Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitenden selbstverständlich nicht beschnitten werden. Zur Förderung eines demokratischen Grundverständnisses kann ein Unternehmen Angebote machen. Es geht darum Erfahrungsräume für demokratische Prinzipien zu öffnen und einen Diskurs innerhalb klarer Rahmenbedingungen zu ermöglichen – nicht um Pflichtschulungen und Gesinnungsprüfung.

Intern kann eine Konfliktlinie entstehen, wenn Mitglieder der Leitungsebene sich öffentlich klar positionieren, z.B. gegen deutlich rechte oder rechtsextreme Parteien. Gerade an Standorten, an denen signifikante Teile der Mitarbeiterschaft anders eingestellt sind. Auch hier müssen Angebote zum Dialog erfolgen, statt Unterschiede in der politischen Haltung nur sichtbar zu machen und Polarisierung zu verstärken.

 

(4) Welche internen Strukturen (Corporate Governance) und welche Expertise benötigen Unternehmen, um gute politische Entscheidungen zu treffen?

Dr. Norbert Taubken: Die gesellschaftspolitische Haltung eines Unternehmens leitet sich ab aus den Werten des Unternehmens und den Erwartungen an die Rollen, die jeder Sektor zum Gesamtwohl einer Gesellschaft beizutragen hat.

Wichtig ist, dass Werte und Haltung auch im Unternehmensalltag gelebt werden. Mitarbeitende sind sensibel für Widersprüche zwischen Reden und Handeln, so dass die konsequente Berücksichtigung des eigenen Wertekompasses bei allen Unternehmensentscheidungen der Gradmesser für Glaubwürdigkeit ist. Gerade bei demokratischen Prinzipien kann ein Unternehmen Erfahrungsräume anbieten und gestalten, die nicht das Wort, sondern das Erleben und Handeln in den Mittelpunkt stellen.

Zudem sollten Entscheidungsträger im Unternehmen zentrale Weichenstellungen immer hinsichtlich ihrer Wertepassung bewerten. Damit werden Werte und eine politische Grundhaltung Teil der Managemententscheidungen und – sofern dieses transparent gemacht wird – auch im Alltag erlebbar.

 

(5) Worin sehen Sie Chancen und für welche Themen wünschen Sie sich mehr politisches Engagement von Unternehmen?

Dr. Norbert Taubken: Viele Unternehmen schreiben sich Teamwork und faires Miteinander, eine Gründermentalität, Innovations- und Fehlerkultur auf die Fahnen. Sie tun einiges, um ihre Organisation und die Menschen, die diese ausmachen, in eine derartige Richtung zu entwickeln. Wichtig wäre es, diese Werte und die dahinterliegenden Interessen und Ansätze auch nach außen als wichtig für unsere Gesellschaft darzustellen. So kann ein Commitment für eine andere politische Kultur entstehen.

Politisches und auch parteipolitisches Engagement der Mitarbeitenden kann in Unternehmen positiv dargestellt und unterstützt werden, z.B. indem dieses explizit in geeignete Formate des Corporate Volunteerings aufgenommen und unterstützt wird.

 

Corporate Political Responsibility – 5 Fragen an… ist eine Interviewreihe des DNWE. Sie zeichnet sich besonders durch die Pluralität unserer Expert_innen aus. Die gesamte Reihe veröffentlichen wir fortlaufend im Dossier.

 

Über Dr. Norbert Taubken

Der Naturwissenschaftler und Pädagoge Dr. Norbert Taubken berät seit über 20 Jahren Unternehmen im Feld Nachhaltigkeit, ESG und CSR. Er hat Einblicke in unterschiedliche Unternehmen, vom DAX-Konzern über mittelständisch geprägte Familienunternehmen bis zum Öko-Spezialisten. Sein Beratungsansatz ist ein pragmatischer: Wie können regulatorische Vorgaben in eine Nachhaltigkeitspositionierung münden, die zu den Geschäftsinteressen und zur Kultur des Unternehmens passt? Und welche Verantwortung sollte ein Unternehmen übernehmen, wenn es sich als Teil einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft versteht? Norbert Taubken ist Co-Gründer der Nachhaltigkeitsberatung Scholz & Friends Reputation (www.nachhaltigkeitsberatung-sfr.de) und Partner der Kommunikationsagentur Scholz & Friends (www.s-f.com).

 

 

 

 

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