Dr. Udo Westermann ist Geschäftsführer der Unternehmerinitiative future e.V. – verantwortung unternehmen. Seit 1994 führt future gemeinsam mit dem IÖW das Ranking der deutschen Nachhaltigkeitsberichte durch und analysiert dabei sowohl die freiwilligen Nachhaltigkeitsberichte mittelständischer Unternehmen wie auch die seit 2018 von Großunternehmen zu erstellenden Nichtfinanziellen Erklärungen.
Dr. Westermann ist Gast im Workshop “Von der Last des Berichtens und der Lust an Nachhaltigkeit” auf dem 3. Deutschen CSR-Kommunikationskongress.
future e. V. hat mit dem IÖW 2007 das erste Ranking von Nachhaltigkeitsberichten vorgenommen. Was hat sich seitdem in den Berichten verändert?
Im Ranking der Nachhaltigkeitsberichte 2018 haben das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Unternehmensvereinigung future die Nachhaltigkeitsberichte von 69 Großunternehmen und von 40 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Erstes Ergebnis des Rankings ist, dass die Anzahl der Nachhaltigkeitsberichte deutlich zunimmt. Von den 100 größten deutschen Unternehmen veröffentlichen 69 einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht oder einen integrierten Geschäftsbericht. 23 Großunternehmen können auf die Berichterstattung ihrer Mutterkonzerne oder auf andere Berichtsformate, wie z. B. nichtfinanzielle Erklärungen oder Umweltberichte, verweisen. Lediglich acht Großunternehmen werden als Nichtberichterstatter gewertet, da sie nur geringfügige Nachhaltigkeitsinformationen auf ihren Websites veröffentlichen. Mittlerweile wurden 175 Nachhaltigkeitsberichte deutscher KMU erfasst.
Die Qualität der Berichte hat sich über die ersten Rankings kontinuierlich gesteigert und sich mittlerweile auf gleichbleibendem Niveau stabilisiert. Die Bewertung der KMU hat sich gegenüber dem letzten Ranking weiter verbessert.
Welche Entwicklung erwarten Sie für die CSR-Berichterstattung in den nächsten Jahren?
Diverse Faktoren bestimmen die dynamische Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Berichte fokussieren zunehmend auf die in den Wesentlichkeitsanalysen der Unternehmen identifizierten Top-Themen. Gerade den berichtspflichtigen Unternehmen gelingt es, ihren Bericht auf die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen ihres Unternehmens zu fokussieren. Dabei werden die im CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz genannten Nachhaltigkeitsbelange stärker in den Fokus gerückt – beispielsweise Darstellungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Das methodische Vorgehen zur Bestimmung der wesentlichen Themen unter Einbindung der Stakeholder wird allerdings in den meisten Berichten nicht ausreichend transparent gemacht.
Die Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichte hat in den letzten Jahren ein hohes Niveau erreicht. Bei den Großunternehmen folgen mit Ausnahme von vier Unternehmen alle Berichterstatter den Standards der Global Reporting Initiative (GRI). Neben den GRI-Standards nehmen die KMU auf weitere Berichtsstandards Bezug, etwa den Deutsche Nachhaltigkeitskodex. Ein hohes Maß an Transparenz bieten auch diejenigen KMU, die ihrem Bericht nach den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie erstellen oder in ihrem Nachhaltigkeitsbericht auf eine zusätzliche Gemeinwohlbilanz verweisen.
Nur drei Jahre, nachdem die SDGs verabschiedet wurden, bezieht sich eine nennenswerte Anzahl von deutschen Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsberichten auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Eine systematische, ausführliche und tiefgehende Behandlung der SDGs ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings mit wenigen Ausnahmen noch nicht zu konstatieren.
Mit zunehmender Standardisierung und Formalisierung der Berichte scheint sich auf der anderen Seite bei den Großunternehmen der Spielraum für individuelle Ansätze der Berichterstattung jenseits der erforderlichen GRI-Aspekte zu verringern. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass eine offene Auseinandersetzung mit Gegenmeinungen, internen Zielkonflikten oder bislang ungelösten Herausforderungen in den Berichten kaum zu erkennen ist.
Die dargestellten Trends werden sich fortsetzen, d.h. es wird eine weitere Orientierung der Berichterstattung an Normen und Standards erfolgen. Eine erhöhte Anzahl integrierter Berichte über die formulierten Anforderungen der nichtfinanziellen Erklärungen nach CSR-RUG erwarten wir hingegen nicht. Inhaltlich wird der Entwicklungsfokus in den Themen Lieferkette und Menschenrechte sowie Klimaschutz liegen. Im Kommunikationsformat wird sich der Ansatz der Internetberichterstattung unter Nutzung freier Formen und social media verstärken.
Die zukünftige Berichterstattung steht vor der Herausforderung, ihre Glaubwürdigkeit weiter zu verbessern, indem sie neben den formalen Anforderungen der Berichtspflicht und der GRI-Standards noch stärker auf Stakeholder-Einbindung, Nachvollziehbarkeit, Vergleichbarkeit und Selbstkritik setzt. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Ansprüche an Themen, Formate und textliche Gestaltung zu einem stimmigen Gesamtkonzept der Nachhaltigkeitskommunikation zusammenfügen.
Welchen Einfluss glauben Sie, hat die CSR-Berichterstattung auf die CSR-Performance der Unternehmen?
Gute externe Nachhaltigkeitskommunikation und Nachhaltigkeitsberichte erfordern als Grundlage die interne Transparenz über Auswirkungen, Maßnahmen und deren Ergebnisse. Genauso erfordert ein gute Nachhaltigkeitssteuerung dieselben Grundlagen. Schon hieraus ist deutlich: gute Nachhaltigkeitsberichte sind nur auf Grundlage eines gutes Nachhaltigkeitsmanagements möglich und eine gute Berichterstattung fördert die Entwicklung des Nachhaltigkeitsmanagements. Oder anders: ein gefakter Bericht ohne inhaltliche Substanz ist als solcher erkennbar. In welchem Ausmaß die Nachhaltigkeitsleistung quantitativ mit der Qualität des Berichtes korreliert ist dabei nicht eindeutig beantwortbar.