Die DAX30-Unternehmen agieren grundsätzlich verantwortungsbewusst, aber dies ist noch ausbaufähig. Das ist die zentrale Erkenntnis des Good Company Ranking 2016, das vom Hamburger Beratungsunternehmen Kirchhoff Consult und der HHL Leipzig Graduate School of Management veröffentlicht wurde.

Im Rahmen von Deutschlands größtem unabhängigen Corporate Social Responsibility (CSR)-Wettbewerb erhielten die 30 größten börsennotierten Gesellschaften Deutschlands für ihre Nachhaltigkeitsleistung im Durchschnitt nur 61,5 von 100 Punkten. Die höchsten Bewertungen erhielten Daimler (73,0), Bayer (71,9), SAP (71,8) Allianz (69,4) und BASF (68,0). Die niedrigsten Bewertungen erhielten RWE (54,3), ThyssenKrupp (53,9), Fresenius Medical Care (51,8), Fresenius (48,9) und Vonovia (45,2).

„Das Good Company Ranking beweist, dass DAX-Unternehmen immer noch deutlichen Aufholbedarf in Sachen Verantwortungsbewusstsein haben“, sagt Prof. Dr. Henning Zülch, Vertreter der HHL Leipzig Graduate School of Management im Forschungsteam des Good Company Rankings und verantwortlich für den Analysebereich ‚Finanzielle Integrität‘.

Konkret wurde für das Good Company Ranking 2016 die Nachhaltigkeitsleistung aller DAX30-Unternehmen auf Basis der Daten des Geschäftsjahres 2015 bewertet. Die Bewertung stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Edeltraud Günther (Technische Universität Dresden), Prof. Dr. Rüdiger Hahn (Universität Hohenheim), Prof. Dr. Christian Scholz (Universität des Saarlandes) und Prof. Dr. Henning Zülch (HHL Leipzig Graduate School of Management). Sie umfasste neben den gleichgewichteten Kategorien Umwelt, Gesellschaft und Mitarbeiter auch den Bereich Finanzielle Integrität, der als Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Wirtschaften mit einer doppelten Gewichtung in das Gesamtranking einfloss.

Der Analysebereich ‚Finanzielle Integrität‘ (Financial Integrity)

Der Analysebereich ‚Finanzielle Integrität‘ wird federführend vom Lehrstuhl Accounting and Auditing der HHL Leipzig Graduate School of Management unter der Leitung von Prof. Dr. Henning Zülch verantwortet. Zusammen mit den Kriterien Gesellschaft, Mitarbeiter und Umwelt bildet das Kriterium der ‚Finanziellen Integrität‘ die Basis für die Evaluation der CSR-Arbeit der DAX 30 Unternehmen.

Das Kriterium der ‚Finanzielle Integrität‘ fließt konkret mit 40 Prozent in das Gesamtergebnis ein. Dies ist im Vergleich zu den übrigen Analysebereichen eine Doppelgewichtung. Der Grund für diese höhere Gewichtung liegt darin, dass es die erste und wichtigste Verantwortung eines Unternehmens ist, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Arbeitsplätze erhalten, Investitionen getätigt werden und den Anlegern eine angemessene Verzinsung ihres Kapitals gesichert wird. Nur wenn dies gewährleistet ist, können Unternehmen auch in den anderen Verantwortungsbereichen positiv handeln.

Unter ‚Finanzieller Integrität‘ wird folglich die Verantwortung für die unternehmerische Leistungsfähigkeit und Stabilität sowie die Kompetenz, diese allen Stakeholdern transparent und verständlich darzulegen, verstanden. Mittels des sog. Financial Integrity Score, der sich aus der kombinierten Analyse der DAX 30 Unternehmen in den Disziplinen ‘Performance’ (60%) und ‘Disclosure’ (40%) ergibt, wird ein Gütemaß für die Dimension ‚Finanzielle Integrität‘ ermittelt. So werden im Bereich Performance die Leistungsfähigkeit und die Stabilität des Unternehmens anhand quantitativer Finanzkennzahlen beurteilt (‘Financial Analysis’) und zudem um die prospektiv ausgerichteten Einschätzungen von Finanzanalysten ergänzt (‘Strategy & Outlook’). Der Bereich Disclosure beurteilt hingegen die Darstellungsleistung eines Unternehmens hinsichtlich des Erfolgs seiner Geschäftstätigkeit auf Grundlage des Geschäftsberichts (‘Performance Disclosure’) sowie der Veröffentlichung nicht-finanzieller (Leistungs-) Indikatoren (‘Non-financial Disclosure’). Dieser einzigartige Ansatz findet weit reichende positive Resonanz in der Praxis und war bereits Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Ausarbeitungen des Lehrstuhls.

Die Ergebnisse im Detail

Auf den Spitzenpositionen des diesjährigen Gesamtrankings dominieren Unternehmen aus der Automobilindustrie sowie Vertreter der Chemie- und Pharmabranche. Anders als bei der letzten Ausgabe 2013 halten aber erstmals auch Dienstleister Einzug in die Top Five. Diese Neuordnung lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass diese Unternehmen inzwischen gezielt gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und die Beziehungen zu ihren Investoren systematisch pflegen.

In den einzelnen Bewertungskategorien überzeugen Daimler (Gesellschaft, Umwelt) sowie Allianz (Finanzielle Integrität) und E.ON (Mitarbeiter). In der Kategorie Mitarbeiter fällt allerdings erneut das allgemein niedrige Bewertungsniveau auf. So erhielt Spitzenreiter E.ON lediglich 13,6 von 20 Punkten. Das zeigt, dass die DAX-Unternehmen im Umgang mit ihrer wichtigsten Ressource immer noch großen Aufholbedarf haben. „Fast alle DAX-Mitglieder haben sich mittlerweile die Themen Diversity, Inklusion und Frauenförderung auf ihre Fahnen geschrieben. Doch wenn es darum geht, ein echtes Normen und Wertesystem für die Belegschaft zu entwickeln oder ihre Personalarbeit mit belastbaren Zahlen zu untermauern, üben sie sich in unverbindlicher Zurückhaltung und verstecken sich hinter vagen Formulierungen. Wir bleiben daher gespannt, ob in künftigen Rankings das Thema endlich wesentlich strukturierter und systematischer angegangen wird“, sagt Klaus Rainer Kirchhoff.

Der Fall Volkswagen

Von besonderem öffentlichem Interesse ist im diesjähigen Wettbewerb die Nachhaltigkeitsleistung von Volkswagen. Der krisengeschüttelte Automobilhersteller landete trotz der Manipulation von Emissionswerten bei einem Teil seiner Fahrzeugflotte im Gesamtranking auf Platz 11.

„Dieser Umweltskandal muss unzweifelhaft vollständig und vorbehaltlos juristisch aufgeklärt werden. Die kriminellen Handlungen einzelner Mitarbeiter sind entsprechend strafrechtlich zu verfolgen und die unternehmensinternen Compliance-Prozesse sind im Nachgang kritisch zu hinterfragen. Alles in allem stellen die Ereignisse aber nicht das ausgewiesene, jahrzehntelang erfolgreiche Nachhaltigkeitsengagement des Konzerns grundsätzlich in Frage“, sagt Prof. Dr. Henning Zülch.

Die komplette Studie „Good Company Ranking 2016“ ist unter http://www.kapitalmarkt-forschung.de sowie unter http://www.kirchhoff.de veröffentlicht.

 

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