Anlässlich des Auftakts des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam den Bericht „An Economy for the 99 Percent“, aus dem hervorgeht, dass die weltweite soziale Ungleichheit deutlich dramatischer ist als bisher bekannt und weiter zunimmt. Sehr medienwirksam fasst Oxfam zusammen, dass nach diesen Zahlen die acht reichsten Männer der Welt im Jahr 2016 zusammengenommen 426 Milliarden US-Dollar besaßen und damit mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

Wie schon im Jahr davor wird die Auswertung aber kritisch gesehen.

Schere öffnet sich nach Oxfam weiter

Vor einem Jahr hatte Oxfam berechnet, dass das Vermögen der 62 reichsten Personen dem der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung entspreche. Neue Vermögensdaten, insbesondere aus China und Indien, zeigen nun, dass die Ärmeren deutlich weniger Vermögen besitzen als bislang angenommen. Auf Basis dieser neuen Daten zurückgerechnet, wären es im vergangenen Jahr neun Milliardäre gewesen, die das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung aufwiegen.

Der Bericht „An Economy for the 99 Percent“ zeigt weiter, dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung 50,8 Prozent des weltweiten Vermögens besitzt – und damit mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen. Umgekehrt besitzt die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur einen Bruchteil von einem Prozent (0,16%) des weltweiten Vermögens. Zum Vergleich: Wäre das Weltvermögen ein Kleinwagen, gehörte der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung gerade einmal der mitgelieferte Wagenheber. Auch reiche Länder sind von sozialer Ungleichheit betroffen: In Deutschland besitzen 36 Milliardäre so viel Vermögen (297 Milliarden US-Dollar) wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung, das reichste Prozent besitzt rund ein Drittel des gesamten Vermögens (31 Prozent; 3,9 Billionen US-Dollar).

Vorteile auf Kosten des Allgemeinwohls

Diese Entwicklung hängt eng mit Möglichkeiten reicher Menschen und internationaler Konzerne zusammen, sich Vorteile auf Kosten des Allgemeinwohls zu verschaffen. Sie nutzen aggressive Steuervermeidungstechniken, verschieben ihre Gewinne in Steueroasen und treiben Staaten in einen ruinösen Wettlauf um Niedrigsteuersätze, erklärt die Organisation in ihrer Pressemeldung.

Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland, kommentiert: „Weltweit fühlen sich immer mehr Menschen abgehängt. Vielerorts stagnieren die Reallöhne, während Manager und Großaktionäre sich jedes Jahr steigende Millionenbeträge genehmigen. Für Bildung und Gesundheitsversorgung fehlt vielen Staaten das Geld, weil Superreiche und internationale Konzerne sich um ihre Steuerbeiträge drücken. Regierungen betreiben das Spiel der globalen Konzerne und reichen Eliten – und die Bevölkerung zahlt die Zeche. Das beschädigt den sozialen Zusammenhalt, behindert den Kampf gegen Armut und untergräbt den Glauben an die Demokratie. So bereitet Ungleichheit den Boden für Rechtspopulisten und andere Feinde einer solidarischen Gesellschaft.“

Menschen sind wichtiger als Profite

Im Bericht „An Economy for the 99 Percent“ fordert Oxfam einen radikalen Kurswechsel hin zu einem Wirtschaftssystem, von dem die breite Mehrheit der Menschen profitiert. Die Ungleichheitsmisere führt die Organisation unter anderem auf verbreitete neoliberale Glaubenssätze zurück, die bis heute eine Politik anleiten, bei der das Gemeinwohl auf der Strecke bleibt. Oxfam fordert eine gerechte Steuerpolitik, die Superreiche und internationale Konzerne dazu zwingt, ihren fairen Anteil an der Finanzierung von Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Sicherung zu leisten. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • Die Einführung eines weltweiten Mindeststeuersatzes für Konzerne, um den ruinösen Steuerwettlauf zu stoppen,
  • eine Schwarze Liste für Steueroasen und scharfe Sanktionen gegen Steuerdumping, damit Konzerne ihre Gewinne dort versteuern, wo sie erwirtschaftet werden,
  • eine öffentliche Rechenschaftspflicht für Konzerne darüber, wo sie Gewinne erzielen und welche Steuern sie darauf zahlen,
  • eine Anpassung der Steuersätze auf besonders hohe Einkommen und Vermögen, damit Superreiche ihren fairen Anteil zum Gemeinwohl beitragen.

 

Kritik an Berechnungen

Bereits vor einem Jahr wurde die Aussagekraft des Berichts in verschiedenen Medien in Zweifel gezogen. So war im Januar 2016 schon in der Süddeutschen zu lesen, dass hier zu unterschiedliche Zahlenreihen miteinander verbunden werden und somit die Aussagekraft zumindest angezweifelt werden kann.

Die gleiche Kritik gilt dementsprechend auch für die neue Erhebung. Einer der Kritikpunkte ist beispielsweise die Art der Berücksichtigung von Krediten in der Auswertung.

 

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