Am Dienstag, 10. April 2018, hielt Prof. Dr. Nick Lin-Hi seine Antrittsvorlesung und wurde damit offiziell an der Universität Vechta willkommen geheißen. Bereits seit dem Sommer 2016 besetzt er die Professur für Wirtschaft und Ethik im gleichnamigen Fach der Fakultät I – Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften, die er zuvor ein Jahr verwaltet hatte. Rund 90 Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik kamen ins Metropol-Theater Vechta, um seinen Vortrag “Wirtschaft und Ethik in der Geschäftswelt: Um Drachen steigen zu lassen, muss man gegen den Wind laufen” zu hören.
Den Titel des Abends, ein chinesisches Sprichwort, hatte Nick Lin-Hi nicht umsonst gewählt. Einmal, weil der gebürtige Offenbacher chinesische – und auch madagassische – Wurzeln hat. Und zweitens, weil er sich in seiner Forschung zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen intensiv mit den Arbeitsbedingungen in China auseinandersetzt und dem Land eine Führungsrolle im Bereich Nachhaltigkeit voraussagt.
Zunächst aber blickte Lin-Hi auf die Entwicklung von Wirtschaftsethik seit dem Jahrtausendwechsel zurück und verknüpfte dies mit seiner eigenen akademischen Laufbahn. Wirtschaftsethik hatte zu Beginn seines Studiums, so Nick Lin-Hi, ein wenig positives Image. Verschiedene Entwicklungen wie etwa das deutlich ansteigende Problembewusstsein für den Klimawandel sowie die Finanzkrise 2008 sorgten dafür, dass wirtschaftsethische Themen an Relevanz und Ansehen gewannen. In der Folge wandelte sich das Image der Wirtschaftsethik, die Forschung wurde mehr und Hochschulen banden das Thema in Curricula ein.
Auch die Praxis beschäftigte sich nun mit wirtschaftsethischen Themen und interessierte sich insbesondere für Fragen zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Lin-Hi zeigte hierbei auf, dass es sich für Unternehmen lohnt, wenn sie als verantwortlich wahrgenommen werden. Gleichzeitig kritisierte er jedoch, dass Unternehmen dazu neigen, ihre gesellschaftliche Verantwortung auf gute Taten, wie etwa dem Schutz des Regenwalds, zu reduzieren. Er machte deutlich, dass dies nicht zielführend ist und Unternehmen mehr Wert auf die Vermeidung von Fehlerherhalten legen sollten: “Unternehmen, die auf der einen Seite tolle gesellschaftliche Projekte machen, auf der anderen Seite aber Mitarbeiter ausbeuten oder Abgastests manipulieren, werden nicht als verantwortlich wahrgenommen”, so Lin-Hi. Mit seinen Forschungsergebnissen belegte er, dass ein verantwortliches Image besonders im Personalbereich wichtig ist, da sich dies positiv auf Arbeitgeberattraktivität und Zufriedenheit von Mitarbeiter_innen auswirkt. Im Rahmen einer Forschungskooperation mit dem chinesischen Textilhersteller KTC konnte Lin-Hi gar nachweisen, dass eine konsequente Verbesserung von Arbeitsbedingungen die Produktivität von Fabrikarbeiter_innen substantiell steigert.
Für die künftige globale Wirtschaft postulierte der Experte für Corporate Social Responsibility (CSR) zum Abschluss drei Entwicklungen für die Wirtschaft: Erstens werden sich neue Konsummuster entwickeln, welche eine Nachfrage nach steigender Transparenz in Wertschöpfungsketten bedingen werden. Marken und Handel werden zudem an Relevanz verlieren, da Konsument_innen und Produzent_innen direkte Geschäftsbeziehungen eingehen können. Zweitens wird China langfristig sein Geschäftsmodell verändern und sich zu einem Treiber der Nachhaltigkeit auf globaler Ebene entwickeln. Drittens wird “Arbeit mit Sinn” zu der neuen Währung auf dem Arbeitsmarkt und Unternehmen werden nur dann Mitarbeiter_innen halten und für sich gewinnen können, wenn sie den gesellschaftlichen Wert ihres Geschäftsmodells nachweisen können. Angesichts der massiven Veränderungen schlussfolgerte Lin-Hi: “Unternehmen müssen sich radikal verändern, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen. Hierfür müssen sie Risiken eingehen und sie sollten auch den Mut haben, verrückte Dinge auszuprobieren.”
Prof. Dr. Nick Lin-Hi ist seit August 2016 Inhaber der Professur für Wirtschaft und Ethik. Der 37-Jährige ist von Hause aus Betriebswirt mit einem Abschluss von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 2008 promovierte er an der Handelshochschule Leipzig zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen – Corporate Social Responsibility, CSR – und wurde für seine Dissertation mit dem Max-Weber-Preis für Wirtschaftsethik ausgezeichnet. 2009 übernahm er die Juniorprofessur für CSR an der Universität Mannheim und habilitierte sich 2015 an deren betriebswirtschaftlichen Fakultät. Im selben Jahr wechselte er im Herbst an die Universität Vechta, um seine aktuelle Professur cum spe zu verwalten.