In einer zunehmend polarisierten Welt stehen Unternehmen in Deutschland vor der Herausforderung, wie sie mit dem wachsenden Einfluss populistischer Bewegungen umgehen sollen. Die Studie “Unternehmen, Populismus und Verantwortung” untersucht, wie börsennotierte Unternehmen diese Entwicklung wahrnehmen und in welchem Umfang sie darauf als politische Verantwortungsträger reagieren.
Zur Beantwortung dieser Frage wurden im Rahmen einer repräsentativen Online-Befragung 160 Unternehmen aus den Leitindizes der Deutschen Börse (DAX40, MDAX, SDAX) kontaktiert. Die Ergebnisse der Studie sind repräsentativ für börsennotierte deutsche Großunternehmen mit inter-nationaler Eigentümerstruktur, globalen Lieferketten, transnationalen Kundenbeziehungen und einer ethnisch und kulturell diversen Mitarbeiterschaft.
Die Studie liefert fünf zentrale Befunde:
- Börsennotierte Unternehmen nehmen sich als politisch verantwortungsbewusste Akteure wahrDie Studie zeigt, dass börsennotierte Großunternehmen in Deutschland zunehmend bereit sind, sich als verantwortungsbewusste gesellschaftliche Akteure zu engagieren. 93 Prozent der befragten Unternehmen erkennen eine gesellschaftliche Unternehmensverantwortung an, die über ihre wirtschaftlichen Kernaufgaben hinausgeht. Eine ausdrückliche Verantwortung in politischen Fragen wird nur von 36 Prozent der befragten Unternehmen anerkannt. Unternehmen des DAX40 sprechen sich deutlich stärker für politische Unternehmensverantwortung aus als jene des MDAX und SDAX.
- Populismus wird von Unternehmen als Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland betrachtet92,5 Prozent der befragten Unternehmen betrachten politischen Populismus als Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Laut den befragten Unternehmen sind insbesondere Unternehmen mit kulturell und ethnisch vielfältigen Belegschaften durch den Anstieg des Populismus erheblichen Nachteilen ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund begrüßen 80 Prozent der befragten Unternehmen ausdrücklich, wenn Unternehmen öffentlich gegen politischen Populismus Stellung beziehen.
- Börsennotierte Unternehmen haben eine eine kritisch-distanzierte Sicht auf die sog. Alternative für Deutschland (AfD)Mehr als 74 Prozent der befragten Unternehmen sehen in der AfD eine rechtsextreme Partei mit einer demokratie- und verfassungsfeindlichen Programmatik. Darüber hinaus sehen knapp 76 Prozent in der zunehmenden Popularität der AfD eine akute Gefährdung für den Wettbewerbsvorteil Deutschlands als Exportnation in der Europäischen Union. Mehr als 84 Prozent sehen die Partei als eine konkrete Gefahr für die deutsche mittelständische Wirtschaft. Trotz dieser weit verbreiteten Ablehnung der AfD und ihrer politischen Ausrichtung zeigt sich eine deutliche Zurückhaltung gegenüber der Frage eines verfassungsrechtlichen Verbots der Partei. 53 Prozent der befragten Unternehmen stehen einem solchen Verbot skeptisch gegenüber. Nur 12,2 Prozent würden einem parteipolitischen Verbot der AfD explizit zustimmen.
- Eine Mehrheit der börsennotierten Unternehmen hat bereits Maßnahmen gegen populistische Bewegungen ergriffenEtwa 70 Prozent der auskunftsbereiten Unternehmen haben bereits Maßnahmen gegen populistische Strömungen ergriffen oder planen dies in Kürze. Diese Maßnahmen reichen von internen Schulungen zur populismuskritischen Sensibilisierung der Mitarbeitenden bis hin zu Verhaltenskodizes für personen- und gruppenbezogene Meinungsäußerungen im Unternehmen. Viele Unternehmen haben darüber hinaus damit begonnen, sich gegen populistische Tendenzen zu positionieren, etwa durch öffentliche Stellungnahmen oder durch die Unterstützung von Projekten gegen Populismus. In diesem Zusammenhang bemühen sie sich darum, Aspekte der demokratischen Integrität auf der Ebene der populismuskritischen Maßnahmen zu berücksichtigen. Unternehmen sind sich jedoch häufig unsicher, wie ihre Maßnahmen von verschiedenen Anspruchsgruppen wahrgenommen werden und ob sie tatsächlich das gewünschte Ziel effektiv erreichen.
- Unternehmen haben gemischte Erwartungen hinsichtlich der Reaktionen ihrer Stakeholder auf populismuskritische UnternehmensaktivitätenDie befragten Unternehmen erwarten größtenteils positive oder unterstützende Reaktionen von Investoren und Mitarbeitenden auf ihre Maßnahmen gegen Populismus. Entsprechend gehen viele Unternehmen davon aus, dass ihre populismuskritische Haltung von diesen Anspruchsgruppen anerkannt wird. Andererseits zeigen die Ergebnisse auch, dass die befragten börsennotierten Unternehmen am ehesten von Kunden und Zulieferern gemischte oder negative Reaktionen auf populismuskritische Aktivitäten erwartet. 32 Prozent befürchten Reputationsschäden, während 42 Prozent sogar den Verlust von Geschäftspartnern erwarten. Diese Befürchtung ist bei DAX40-Unternehmen stärker ausgeprägt als bei MDAX- oder SDAX-Unternehmen. Negative Reaktionen werden von knapp 51 Prozent in Form von An-feindungen durch populistische Akteure befürchtet. Trotz dieser Sorge schätzen die Unternehmen rechtliche Probleme oder politische Repressalien durch politische Verantwortungsträger unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen als wenig wahrscheinlich ein.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die skizzierten Befunde der vorliegenden Studie erlauben die Schlussfolgerung, dass börsennotierte Großunternehmen immer häufiger eine aktive Stimme im III politischen Diskurs erheben – insbesondere in Bezug auf populistische Strömungen. Die Feinabstimmung der rein ökonomischen Interessen auf der einen Seite mit den Erfordernissen der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung andererseits wird gleichzeitig als große Herausforderung empfunden.
Autoren der Studie
Dr. Benedikt D. S. Kapteina ist seit April 2024 als Postdoktorand an der Professur für Be-triebswirtschaftslehre, insbesondere Responsible Management, am IHI Zittau tätig. Das IHI Zittau ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dresden. Dr. Kapteina leitet die vorliegende Studie.
PD Dr. habil. Eckhard Burkatzki ist Privatdozent am IHI Zittau und hier wissenschaftlicher Mitarbeiter an derselben Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Responsible Management.
Prof. Dr. Markus Scholz ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Respon-sible Management, am IHI Zittau.
Weitere Mitarbeitende:
Weitere Mitarbeitende der Studie sind Anna Schöndube und Maria Anett Schwerdtner, die als wissenschaftliche Hilfskräfte und Masterstudierende am Lehrstuhl für Betriebswirt-schaftslehre, insbesondere Responsible Management, am IHI Zittau tätig sind.
Download
Die Studie kann als PDF heruntergeladen werden:
Unternehmen_und_Populismus_2025