Psychologinnen und Psychologen von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) haben untersucht, wieweit Rationalität bei individuellen Entscheidungen messbar ist. In der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten sie, dass früher auf Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher Methoden entwickelte Ansätze für die Bestimmung von Rationalität von Individuen wenig geeignet sind.

Ständig steht der Mensch vor schwierigen Entscheidungen, im Berufs- wie im Privatleben. Was aber macht eine gute Entscheidung aus? Eine prominente Theorie guter oder rationaler Entscheidungen stammt aus der Wirtschaftswissenschaft: Eine Entscheidung ist genau dann rational, wenn aus allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten diejenige ausgewählt wird, die den persönlichen Präferenzen am besten entspricht.

Diese persönlichen Präferenzen zu messen ist jedoch nicht einfach: Werden Personen nach ihren Präferenzen befragt werden, passen deren Antworten häufig nicht zu ihrem tatsächlichen Verhalten. Dies kann zum Beispiel daran liegen, dass sie ihre wirklichen persönlichen Präferenzen nicht offenbaren wollen oder sich selbst nicht völlig über sie im Klaren sind.

Während die Wirtschaftswissenschaften die Rationalität als eine Modellannahme voraussetzen, ist es aus Sicht der Psychologie eine wichtige Fragestellung, wie rational sich Individuen tatsächlich entscheiden und ob es Merkmale gibt, anhand derer eine hohe Rationalität vorhergesagt werden kann. Dies wäre etwa relevant für die Personalauswahl von Entscheidungsträgern, oder um Risikogruppen für nachteiliges Verhalten zu identifizieren. Frühere psychologische Forschungsarbeiten übernahmen dazu Methoden aus den Wirtschaftswissenschaften unter der Prämisse: Je konsistenter die Entscheidungen bei einer Testaufgabe, desto größer die Rationalität.

Ein Team vom Institut für Experimentelle Psychologie der HHU (Arbeitsgruppe Vergleichende Psychologie, Leitung Prof. Dr. Tobias Kalenscher) um Erstautor Dr. Felix J. Nitsch hat diesen Ansatz genauer untersucht. In ihrem in PNAS veröffentlichten Artikel zeigen sie, dass sich mit der aus den Wirtschaftswissenschaften verwendeten Methodik keine verlässlichen individuellen Unterschiede in der Rationalität feststellen lassen.

Dr. Nitsch, der an der HHU promovierte und jetzt an der Wirtschaftshochschule INSEAD im französischen Fontainebleau arbeitet: “Dies liegt daran, dass individuelle Rationalitätsunterschiede selbst in großen, repräsentativen Stichproben so gering ausfallen, dass sie nicht von kleinen zufälligen Schwankungen unterschieden werden können. Folglich ist es auch mit den aktuellen Messverfahren schwierig Merkmale zu identifizieren, die mit Rationalität zusammenhängen.”

Das Forschungsteam hat in ihrer Untersuchung Rationalität danach berechnet, wie logisch Menschen in drei verschiedenen Experimenten auf Preisveränderungen reagierten. In den Szenarien ging es um hypothetische Spendenentscheidungen: Über mehrere Runden sollten die Probanden von einem vorgegebenen Geldbetrag einen von ihnen frei wählbaren Teil an eine Freundin oder einen Freund abgeben. In jeder Runde variierte, wie viel von dem abgegebenen Betrag tatsächlich beim Empfänger ankommt und welcher Anteil auf dem Weg dahin verloren geht – somit also der Preis der Spende. Weiterhin konnten sie das Ergebnis in den veröffentlichten Daten anderer Forschungsgruppen bestätigen.

Originalpublikation:

Felix J. Nitsch, Luca M. Lüpken, Nils Lüschow, Tobias Kalenscher, On the Reliability of Individual Economic Rationality Measurements, PNAS 2022

DOI: 10.1073/pnas.2202070119


 

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