Zur gesellschaftlichen Verantwortung von und für Unternehmen in Zeiten von Covid-19.

Klimawandel und Fridays for Future sind im Rahmen der globalen Covid-19-Krise in den Hintergrund getreten. Lange bevor Greta Thunberg im August 2018 das erste Mal die Schule schwänzte und damit den allgemein anerkannten schulischen Code of Conduct verletzte, wurden von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2015 die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) verabschiedet. Und noch länger weisen Wirtschaftsethiker darauf hin, dass die Ökonomie von Voraussetzungen lebt, die sie selbst nicht schaffen kann. Ein Faktum, was in diesen Tagen deutlich wird wie nie zuvor, wobei insbesondere der Verantwortungsbegriff in einen verschärften Fokus gerät. Fehlende und nicht wahrgenommene Verantwortung kann in der aktuellen Situation nicht nur gravierende Folgen haben, sondern sogar tödlich sein – biologisch und ökonomisch. Appellierten Politik und Klimaaktivisten in den vergangenen Jahren an die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, kurz CSR), so gilt es jetzt auch an die gesellschaftliche Verantwortung für Unternehmen (Social Responsibility For Companies, kurz SRFC) zu appellieren.

Lassen Sie mich diesen Appell am Beispiel eines Reiseveranstalters konkretisieren: Das Versprechen kostengünstiger Überbrückungskredite entspricht in der aktuellen Lage dem Versuch, die Ausbreitung des Corona Virus zu verlangsamen, um intensivmedizinische Behandlungskapazitäten jederzeit gewährleisten zu können. Ökonomisch formuliert: wir strecken Insolvenzen und wickeln diese zu einem späteren Zeitpunkt ab, wenn staatliche Institutionen nicht mehr mit den Anträgen des Kurzarbeitergeldes beschäftigt sind und Zeit für Insolvenzverfahren haben. Im Gegensatz zur medizinischen Situation, die davon geprägt ist, auf einen Impfstoff voraussichtlich erst in einem Jahr zurückgreifen zu können, stünde ein touristischer Impfstoff umgehend zur Verfügung. Es bräuchte keine vollmundigen whatever it takes Ankündigungen, sondern einfache und pragmatische Lösungen. Beispielsweise könnten Reiseveranstalter – für einen seitens der Politik festgelegten Zeitraum – Stornorechnungen über bereits geleistete Anzahlungen auch für Reisen ausstellen, die aufgrund ausgesprochener Reisebeschränkungen von staatlicher Seite storniert wurden und somit nicht durchgeführt werden können. Kunden hingegen könnten sich die entsprechenden Gelder von staatlichen Institutionen erstatten lassen. Der von Kunden zu leistende Verantwortungsbeitrag für Unternehmen bestünde dann lediglich im Einreichen einer Stornorechnung – eine, wie ich finde, zumutbare Forderungen an alle, die in Zukunft wieder mit Unternehmen verreisen möchten, welche die Sicherheit ihrer Reisegäste in den vergangenen Jahren gewährleistet und Verantwortung für die Gesellschaft übernommen haben. Und weiterhin übernehmen, indem sie beispielsweise Kündigungen jetzt nicht einem Schockaktionismus folgend unbedacht aussprechen, sondern mit Bedacht Lösungen suchen, um Arbeitsplätze zumindest in Teilen zu erhalten. Es wird demnach offensichtlich, dass jetzt das Verantwortungsbewusstsein aller gefordert ist und Verantwortung “für-ein-ander”  übernommen werden muss.

Dass staatliche Institutionen von den angestellten Überlegungen allerdings teilweise weit entfernt zu sein scheinen, zeigt ein aktuelles Beispiel aus dem Unternehmensalltag eines Klassenfahrten-Reiseveranstalters. Hier wurden Schulen seitens der staatlichen Aufsichtsbehörden dazu aufgefordert, auf die kostenfreie Stornierung von Klassenfahrten zu pochen. Diesem Sachverhalt gilt es nicht nur mit Unverständnis, sondern mit der Erinnerung an ein Gebot in der aktuellen Not zu begegnen:

Abstand zu wahren von Mitmenschen wird in diesen Tagen Leben retten. Abstand zu nehmen von grundlegenden wirtschaftlichen Spielregeln und vorliegenden Verträgen wird dramatische wirtschaftliche Folgen haben, indem wirtschaftliche Existenzen und Lebenswerke aufs Spiel gesetzt werden.

 

Der Autor

Dr. Jochen J. Weimer

Dr. Jochen J. Weimer ist Geschäftsführer der Reisedienst Weimer KG und lehrt an der Hochschule Fresenius in Wiesbaden Wirtschafts- und Unternehmensethik.

 

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