Die Zukunft der Menschheit wird zum großen Teil von einem zuverlässigen und sicheren Zugang zu Nahrung und der nachhaltigen Nutzung von Energie, Wasser und Rohstoffen abhängen. Mit Blick auf den Klimawandel und sich verknappende Ressourcen, spielen dabei erneuerbare Quellen und deren Basis, das Naturkapital, eine zentrale Rolle. Mehr als 190 Länder verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030 mit umfassenden Zielen für eine nachhaltige Entwicklung sowie das Pariser Klimaabkommen zur drastischen Senkung der Treibhausgas-Emissionen. Im Mittelpunkt dieser Vereinbarungen steht die Frage, wie die großen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern sind und eine nachhaltige Entwicklung gefördert werden kann.

 

1. Die großen globalen Herausforderungen

Anhand der Zusammenhänge zwischen Bevölkerungswachstum, steigenden Ernährungsanforderungen und dem daraus resultierenden Wasser- und Flächenbedarf sowie Umweltbelastungen lassen sich zentrale Zielkonflikte der nachhaltigen Entwicklung ableiten.

  • Eine wachsende Weltbevölkerung und höhere Lebensstandards
    Bereits heute kann der weltweite Bedarf an Lebensmitteln nicht befriedigt werden. So sind momentan etwa 800 Millionen Menschen chronisch unterernährt (FAO 2016). Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach Lebensmitteln weiter steigen wird. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 9,6 Milliarden Menschen angewachsen sein. Gleichzeitig führen steigende Pro-Kopf-Einkommen in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu veränderten Ernährungspräferenzen – etwa zu einem höheren Fleischkonsum (Godfray et al. 2010) und einem höheren Verbrauch verarbeiteter Lebensmittel.
  • Begrenzte Anbauflächen
    Weltweit werden aktuell knapp 1,5 Mrd. ha Anbaufläche genutzt. Diese landwirtschaftliche Nutzfläche müsste unter der Annahme von realistischen Ertragssteigerungen schon allein zum Zwecke der globalen Ernährungssicherung genutzt und eventuell ausgeweitet werden. Allerdings ist das weltweite Potential zur Flächenausweitung gering und dürfte unter Einbeziehung des Klimawandels deutlich unter 5 Prozent der bislang genutzten Fläche liegen.
  • Land- und Bodendegradation
    In den vergangenen 40 Jahren musste bereits ein Drittel der weltweiten Ackerflächen aufgrund der schlechten Bodenqualität aufgegeben werden. Ein weiteres Drittel verliert seinen Oberboden momentan schneller als er wiederhergestellt werden kann. Hauptgrund dafür sind vom Menschen verursachte Degradationseffekte wie Erosion, Strukturverlust, Verdichtung, Versiegelung, Versauerung, und Versalzung (Europäische Umweltagentur 2003). Dies führt zur dauerhaften Beeinträchtigung von Ökosystemen (Nkonya/Mirzabaev/Braun 2016).
  • Schrumpfende Wasservorräte
    Süßwasser stellt eine unabdingbare – und gleichzeitig begrenzte – Ressource dar. Zwischen 1950 und 2000 hat sich der weltweite Wasserverbrauch verdreifacht (Brown 2009). Die Landwirtschaft verbraucht für die Ernährung der Menschen nahezu 70 Prozent der Trinkwasservorräte. Gleichzeitig steigen Nachfrage und Wettbewerb um die knappe Ressource Wasser in anderen Verwendungsbereichen (Godfray et al. 2010). Nicht nachhaltige Wassernutzung und zunehmender Klimawandel werden zu einer Verschärfung der bereits vorhandenen Wasserknappheit führen (OECD 2008; v. Braun et.al. 2017).
  • Verlust der Biodiversität
    Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt ist in vielen Bereichen von hoher Bedeutung für den Menschen. Für die Ernährung stellt beispielsweise die Agrobiodiversität eine wesentliche Voraussetzung für die Produktivität und Ressourceneffizienz entlang der Wertschöpfungskette Boden – Pflanze – Tier – Nahrung dar. Das immer vielfältigere Lebensmittelangebot wird mit immer weniger Pflanzenarten und Tierrassen produziert. In der Folge sind immer mehr Nutztierrassen und Pflanzensorten vom Aussterben bedroht (Bioökonomierat 2015a).

Die Bioökonomie sucht nach Lösungen für diese Herausforderungen und Zielkonflikte. Mensch und Natur müssen neu in Einklang gebracht werden. Die Bioökonomie orientiert sich dabei am Vorbild der Biologie und der Organismen, die nachwachsen, sich vermehren, reparieren und intelligent weiterentwickeln können.

 

2. Konzepte einer nachhaltigen Bioökonomie

Georgescu-Roegen (1971) kann als ein früher Vertreter der bioökonomischen Theorie gelten. Er wandte als erster Ökonom den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und damit auch den Begriff der Entropie auf ökonomische Forschungsfragen an. Der Begriff der Bioökonomie wurde 1997 von Juan Enriquez-Cabot und Rodrigo Martinez verwendet, um jenen Teil der Wirtschaft zu benennen, der von den Durchbrüchen in der Genom-Forschung getrieben wird (Enriquez-Cabot 1998). In Europa wurde das Konzept der wissensbasierten Bioökonomie, die auf den Fortschritten der Lebenswissenschaften basiert, erstmals 2005 in einem politischen Kontext diskutiert. Europaweit waren Experten aus Wissenschaft und Industrie zur Mitarbeit an einem Dokument aufgerufen, das die Perspektiven einer wissensbasierten Bioökonomie in den kommenden 20 Jahren aufzeigt. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wurde das Ergebnis als “Cologne Paper” (Europäische Kommission 2005) am 30. Mai 2007 auf der Konferenz “En Route to the Knowledge-Based Bio-Economy” veröffentlicht. Das Papier präsentiert die Ergebnisse von sechs Workshops, die zwischen Januar und März 2007 abgehalten wurden. Die Teilnehmer diskutierten die folgenden Aspekte: 1. Rahmenbedingungen, 2. Nahrung, 3. Biomaterialien und Bioprozesse, 4. Bioenergie, 5. Biomedizin, 6. neue Konzepte und entstehende Technologien. In dieser Zeit wurde die Entwicklung der Bioökonomie in Erwartung schnell knapper werdender Erdöl-, Erdgas- und Kohle-Reserven politisch gefördert.

Heute ist die Bioökonomie nicht mehr vorwiegend von steigenden Preiserwartungen für fossile Rohstoffe getrieben. Im Mittelpunkt der derzeitigen wissenschaftlichen Diskussion stehen der Klima- und Ressourcenschutz sowie das Potential für nachhaltiges Wachstum. Insbesondere Ansätze für einen geringen Ausstoß von Klimagasen, die Nutzung erneuerbarer Ressourcen und die Verhinderung von irreversibler Schädigung des globalen Ökosystems (United Nations 2015; El-Chichakli et al. 2016).

Bei der Bioökonomie handelt es sich um ein neues, politisch-wissenschaftlich geprägtes Konzept wirtschaftlicher Transformation. Es unterscheidet sich weltweit hinsichtlich Umfang und Ausrichtung der Aktivitäten. Während einige Länder (z. B. Indien, Südafrika oder Südkorea) stärker die Lebenswissenschaften und die Gesundheitswirtschaft betonen, konzentrieren sich andere Länder wie Brasilien, Kanada, Finnland oder Neuseeland auf die Steigerung der Wertschöpfung aus Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. In den USA wandelte sich das politische Verständnis der Bioökonomie in jüngster Vergangenheit. Während der „Bioeconomy Blueprint“ von 2012 die Gesundheitswirtschaft und die Biomedizin stark in den Vordergrund rückte, wird die Bioökonomie-Politik nun zusehends von einer Industriepolitischen Vision einer innovativen biobasierten Wirtschaft dominiert. Im Februar 2016 wurde ein interministerieller Bericht zu Aktivitäten in der Bioökonomie inklusive der “Billion Ton Bioeconomy Vision” veröffentlicht (The Biomass Research and Development Board 2016). Eine dritte Gruppe von Ländern (darunter z. B. China, Malaysia, Thailand, Japan oder Russland) begreift die Bioökonomie eher als neue, biobasierte Industrie, die Hightech-Entwicklungen auf den Weg bringt (Bioökonomierat 2015e).

Der Bioökonomierat der deutschen Bundesregierung verwendet eine umfassende Definition: “Die Bioökonomie ist die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, Verfahren und Prinzipien, um Produkte und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen” (Bioökonomierat 2013b). Die Basis der bioökonomischen Wertschöpfung bilden erneuerbare Ressourcen. Im engeren Sinn sind dies nachwachsende, nicht-fossile Rohstoffe. Sie werden von Pflanzen und Mikroorganismen produziert – aber auch von Tieren, denen Züchtung, Haltung und Verwertung besonderen ethischen Ansprüchen gerecht werden müssen (Bioökonomierat 2015a). Die Definition der Bioökonomie bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf nachwachsende Rohstoffe, sondern auf die Nutzung biologischer Verfahren und Erkenntnisse, beispielsweise in der Biomedizin und Umwelttechnik. Idealerweise liefert die Bioökonomie bessere und nachhaltigere Produkte und Prozesse gleichermaßen. Sie kann nur funktionieren, wenn sie ihre Basis, die Natur und Ökosysteme, schützt und regeneriert.

 

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Bioökonomie ist kein Wirtschaftssektor sondern erstreckt sich quer über Sektoren hinweg und kann wegen der Durchdringung der Gesamtwirtschaft mit der Informations- und Kommunikationstechnologie verglichen werden. Wertschöpfung lässt sich in diesem Zusammenhang auf verschiedenen Stufen (Kaskaden) erzielen: (1) die Biomasse-Produktion erfolgt hauptsächlich in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. (2) Die nächste Wertschöpfungsstufe nutzt diese Erzeugnisse ohne signifikante Weiterverarbeitung, beispielsweise beim Verkauf von Fisch, Obst und Gemüse sowie Brennholz. (3) Durch eine weitere Verarbeitung lassen sich biobasierte Produkte, wie Lebens- und Futtermittel, biobasierte chemische Ausgangsstoffe, Möbel, Baudämmstoffe etc. herstellen. (4) Hohe Wertschöpfung verspricht die Entwicklung von innovativen Produkten mit besonderen Eigenschaften, wie neue Biokunststoffe, Naturfaserkomposite, Feinchemikalien und funktionale Lebensmittel. (5) Schließlich bietet biologisches Wissen die Möglichkeit, hochwertige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die jedoch kaum biobasierte Rohstoffe benötigen. Beispiele sind Biopharmazeutika, Bioinformatik, Umweltbiotechnologie und Bionik. Dabei gilt es hervorzuheben, dass die Wertschöpfung in dem Masse steigt, in dem der Einsatz von geistigem Eigentum zunimmt.

Die wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung der Bioökonomie lässt sich nur teilweise aus den offiziellen Statistiken ableiten. In Deutschland trug die Bioökonomie im Jahr 2013 zu einem jährlichen Gesamtumsatz von rund 387 Mrd. Euro bei (JRC 2016). Dabei zählen die Land- und Forstwirtschaft sowie die Lebensmittelwirtschaft und die Papierindustrie zu den traditionellen und großen Akteuren der Bioökonomie. Innovative und hochwertige Leistungen, wie jene der biobasierten Chemie, der Biotechnologie oder Biopharmazie werden in der Statistik nicht separat ausgewiesen. Ihre Anteile werden meist geschätzt. In Deutschland leisten vor allem biobasierte Feinchemikalien sowie biologische Medikamente bereits heute einen bedeutenden Beitrag (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Bedeutung der Wirtschaftsbereiche in der Bioökonomie in Deutschland gemessen anhand des Umsatzes in Milliarden Euro (Datenbasis: 2013) (JRC 2016)

 

3. Bioökonomische Lösungsansätze

Viele Staaten und Teile der Wirtschaft setzen zunehmend auf “grünes” Wachstum und eine ökologische Transformation (WGBU 2011), wobei sich in 2017 allerdings in den USA eine von diesem Trend abweichende Tendenz abzeichnet. Die Bioökonomie bietet die Möglichkeit, durch effiziente Methoden und Innovationen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Das rückt die Bioökonomie ins Zentrum einer neuen Industrie-Strategie. Bioökonomie verstanden als “Biologisierung der Wirtschaft” schließt Produzenten und Konsumenten gleichermaßen mit ein und verknüpft sich mit Digitalisierung der Wirtschaft. Die Wettbewerbsfähigkeit in einem derartigen System wird zunehmend von Innovationen rund um biobasierte Produkte und Prozesstechnologien abhängen. Gleichzeitig orientiert sich die Bioökonomie an Kriterien der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Oberste Priorität für die Nutzung biogener Rohstoffe sollte dabei die globale Ernährungssicherung haben (v. Braun 2015). Eine nachhaltige Bioökonomie muss zugleich darauf abzielen das Naturkapital der Erde zu verbessern bzw. zu regenerieren. Eine Schlüsselrolle spielen dabei technologische und soziale Innovationen sowie die internationale Zusammenarbeit (IAC 2015). Im Folgenden werden die einzelnen Schlüsselfaktoren für die Gestaltung einer nachhaltigen Bioökonomie ausgeführt.

 

Technologische Innovationen

Die Bioökonomie weist ein hohes Innovationspotential für nachhaltige Lösungen auf, welches durch einen steten Fortschritt in den Lebenswissenschaften und der benachbarten Bereiche ermöglicht wird. Insbesondere die Verknüpfung neuer biologischer Verfahren und Erkenntnisse mit anderen Entwicklungen in der Agrarwissenschaft und in der Informations-, Medizin- oder Fertigungstechnik ist zukunftsweisend (Bioökonomierat 2014a).

Der Nexus zwischen Wasser, Landnutzung und Energie muss in der Bioökonomie einen besonderen Schwerpunkt einnehmen, um negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zu reduzieren und neue Lösungen zu finden. Technologische Entwicklungen liefern z. B. biobasierte “Supermaterialien”, wie etwa biologisch hergestellte Spinnenseide, Nano-Cellulosen oder biobasierte Karbonfasern. Ihr Einsatz, beispielsweise im Fahrzeug- und Gebäudeleichtbau führt zu weiteren Energie- und Materialeinsparungen.

Die Umwandlung von biogenen Rohstoffen in eine größere Bandbreite an höherwertigen Produkten (Nahrungs- und Futtermittel, Chemikalien) und Energie (Biotreibstoffe, Wärme oder Strom), wird mit verschiedenen Prozesstechniken erprobt. Ein wichtiger Grundstoff ist biobasierte Bernsteinsäure. Aus nachwachsenden Rohstoffen lässt sich bereits im industriellen Maßstab Biobernsteinsäure gewinnen, die dann zu neuen Materialien und Kunststoffen verarbeitet wird. Ein Beispiel ist eine biologisch abbaubare Folie für die Landwirtschaft, die der weiteren Bodendegradation durch Reste von petrochemischen Folien entgegenwirken soll.

Abb. 2: „Supermaterialien“: Biologisch herstellte Spinnenseide
(© mycteria/fotolia.de)

 

Innovationen der industriellen Biotechnologie haben bereits einen großen Beitrag zur Ressourcen- und Energieeffizienz geleistet. Beispielsweise wird durch den Einsatz von Enzymen in modernen Waschmitteln eine reinigende Wirkung schon bei niedrigen Temperaturen und geringem Einsatz von Reinigungsmitteln erreicht. Dies führte zu erheblichen Energieeinsparungen und damit auch indirekt zur Senkung des CO2-Ausstoßes (Novozymes 2010).

Im Bereich der Umwelttechnologien kann Wasser mit Hilfe von Biotechnologie und biobasierten Filtern gereinigt werden. Zentrale Nährstoffe wie Phosphor sollen zukünftig aus Abwässern wiedergewonnen werden. Dies spart Ressourcen und ermöglicht das Schließen von Nährstoffkreisläufen.

Abb. 3: Die „Berliner Pflanze“ – Wiedergewinnung von Phosphor-Langzeitdünger aus Abwässern (GreenTec Awards, online: http://tinyurl.com/h9hq7kn)

 

Die Präzisionslandwirtschaft verwendet moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sowie biologisches Wissen, um ressourceneffiziente Lösungen anzubieten. Anwendungsbeispiele sind satelliten- und computergestützte Applikationen von Wasser und Nährstoffen direkt bei den Wurzeln, bessere Erntetechnologien zur Minderung von Verlusten und innovative Stalltechnik zur Förderung des Tierwohls. Durch den pfluglosen Ackerbau wird Kohlenstoffdioxid im Boden gebunden und die Emissionen der Landwirtschaft könnten so reduziert werden. Auch die Sanierung der fruchtbaren Böden, beispielsweise mit Hilfe von Bakterien und Pilzen, ist ein wichtiges bioökonomisches Handlungsfeld in der Landwirtschaft.

Im Bereich der Bioenergie liegen die Hoffnungen auf Biotreibstoffen der neuen Generation, welche Pflanzen und Reststoffe verwenden, die nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen. Dazu zählen beispielsweise Lignozellulose aus Gräsern und agrarischen Reststoffen, die mit einer besseren Energieausbeute in Ethanol umgewandelt werden können. Ihre Entwicklung wird aber noch Zeit in Anspruch nehmen und hat die in sie gesetzten Hoffnungen bisher nicht erfüllt. Des Weiteren sind chemische Innovationen notwendig, um die Weiterverarbeitung zu gewährleisten, etwa durch katalytische Konversion.

Derzeit werden auch alternative Kohlenstoffquellen für die Bioökonomie erforscht. Mit Hilfe von biotechnologischen Prozessen kann Kohlendioxid, beispielsweise aus Industrieemissionen, als Ausgangsstoff für die Herstellung von Kraftstoffen, Chemikalien oder Polymeren verwendet werden. Dies würde nicht nur den CO2-Ausstoß vermindern, sondern auch den Rohstoffbedarf senken (Peplow 2015). Am Markt sind diese Verfahren aber noch nicht konkurrenzfähig.

 

Soziale Innovationen

Der Wandel zu einer bio-sensitiven Gesellschaft erfordert aber auch Veränderungen auf der Verbraucherseite. Ressourcenfußabdrücke von Produkten und Leistungen müssen besser verstanden und bei Kaufentscheidungen berücksichtigt werden. Soziale Innovationen wie beispielsweise “sharing” und “upcycling” begünstigen nachhaltigere Lebensstile. Die Bioökonomie, die sich an den Stoffkreisläufen der Natur orientiert, passt zu solchen Ansätzen und bietet auch Möglichkeiten für Innovationen im städtischen Umfeld. Urbanes Gärtnern, lokale Nutzung von biogenen Reststoffen, z. B. Lebensmittelresten, und die Entwicklung neuer Ernährungskonzepte sind Beispiele aus dem Alltag auch in Deutschland.

Für die Entwicklung der Bioökonomie benötigen wir einen offenen Dialog zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgern. Dieser Dialog muss gleichberechtigt geführt werden (Bioökonomierat 2013b). Dabei kann und darf es nicht um “Wissenschaftsmarketing” oder “Akzeptanzbeschaffung” für eine biobasierte Wirtschaft gehen, sondern um eine offene Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken, deren Bewertung und Abwägung, letztlich also um das Schaffen von sozialem Wissen. Neue und traditionelle Medien spielen hier eine wichtige Rolle. In der sozialwissenschaftlichen Forschung werden neue Partizipations- und Dialogformen entwickelt und getestet (Bioökonomierat 2014b). Sie binden verschiedene Gruppen in die Entwicklung der Bioökonomie mit ein, z. B. Verbrauchergruppen und gesellschaftliche Initiativen, Vertreter aus der Industrie und biobasierten Unternehmen sowie politische Entscheider. In diesem Zusammenhang werden auch neue Beteiligungsformate, wie beispielsweise jene der “citizen science”, an Bedeutung gewinnen. Sie beteiligen Bürger in Forschungsprojekten, wie z. B. dem Monitoring von Biodiversität. “Bio” an sich garantiert noch nicht Nachhaltigkeit. Sorgfältige Messung von Ressourcenfußabdrücken und das Monitoring von positiven und negativen Auswirkungen einer wachsenden Bioökonomie. Es gilt unerwünschte Entwicklungen zu identifizieren und eventuell nötige Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Unterstützend wirken könnte beispielsweise die Einrichtung von internationalen Plattformen, die den kontinuierlichen und offenen Dialog zwischen Wissenschaftlern, Politikern, Unternehmen und Bürgern gewährleisten (IAC 2015).

 

4. Zukünftige Strategien für die Bioökonomie

Das Konzept der Bioökonomie hat in den vergangenen zehn Jahren weltweit an politischer Dynamik und Bedeutung gewonnen. Seit dem ersten EU-Projekt im Jahr 2005 haben bereits mehr als 40 Länder die Bioökonomie in ihren politischen Strategien verankert (Abb. 4).

Abb. 4: Bioökonomie-Politik weltweit (Bioökonomierat 2015e)

Deutschland nimmt mit der Verabschiedung einer Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 (2010), einer Nationalen Politikstrategie Bioökonomie (2013) und der Berufung eines Bioökonomierates, weltweit eine führende Rolle in der Bioökonomie-Politik ein. Obwohl die Strategien dazu gedacht sind, die nationale biobasierte Wirtschaft zu stärken, vermitteln sie auch eine globale Perspektive, etwa in Fragen der Welternährung, der internationalen Forschungszusammenarbeit und dem Einhalten von sozialen Standards. Auch im Koalitionsvertrag von 2014 wurde die Förderung der Bioökonomie thematisiert und im Forschungsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung (FONA3) von 2015 wird die Bioökonomie als Säule der sogenannten “Green Economy” genannt. Darüber hinaus findet der Beitrag, den die Bioökonomie zu den globalen Nachhaltigkeitszielen leisten kann, auch in der im vergangenen Jahr aktualisierten Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung Beachtung.

Der Bioökonomierat der deutschen Bundesregierung initiierte im November 2015 den ersten Global Bioeconomy Summit (GBS 2015) mit dem Ziel, den Erfahrungsaustausch und die internationale Kooperation zu fördern und ein Bioökonomie-Netzwerk aufzubauen. Mehr als 700 Vertreter aus 82 Ländern sind der Einladung zu diesem ersten weltweiten politischen Gipfel der Bioökonomie gefolgt, der unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin stand.

Für die internationale Zusammenarbeit wurden fünf Eckpunkte hervorgehoben: 1) Die Bioökonomie-Politik zielt auf die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen, wobei die globale Ernährung sichergestellt und Ökosysteme regeneriert werden müssen. 2) Die Entwicklung der Bioökonomie und ihr Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung soll durch Monitoring-Maßnahmen auf internationaler und nationaler Ebene verfolgt werden. 3) Um Synergien in Ausbildung und Forschung zu schaffen, müssen globale Ausbildungsallianzen und gemeinsame Forschungsprojekte auf den Weg gebracht werden. 4) Der Erfahrungsaustausch im Hinblick auf erfolgreiche Geschäftsmodelle, passende Politikmaßnahmen und Nachhaltigkeitsstandards sollte auf internationaler Ebene gefördert werden. 5) Die Förderung der Bioökonomie muss sich an den Agenden der internationalen Organisationen sowie multilateralen Politikprozessen und Regierungsverhandlungen orientieren (IAC 2015).

 

5. Fazit

Die Bioökonomie sollte nicht als ein Projekt, sondern als Strategie zur nachhaltigen Umgestaltung des Wirtschaftssystems verstanden werden. Der Kern dieser Transformationsstrategie erschöpft sich nicht in der Dimension der Technologie (neuartige Wissenschaft), sondern beinhaltet Verhaltensänderungen (nachhaltiger Konsum) und politischen Gestaltungswillen von Rahmenbedingungen und langfristigen Anreizen. Die Ernährungssicherheit sowie eine zuverlässige Versorgung mit Energie und Rohstoffen sollten zu einem großen Teil auf erneuerbaren Ressourcen basieren. Die Regeneration der Ökosysteme ist dafür ebenso notwendig, wie ein freier und fairer Handel mit klaren Regeln. Die Bioökonomie steht im Zentrum einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung. Für die nächste Generation an Wissenschaftlern, Erfindern, Unternehmern, Landwirten und Aktivisten ist sie Herausforderung und Chance zugleich.

 

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Der Autor

Prof. Dr. Joachim von Braun

Joachim von Braun ist Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung und Professor für wirtschaftlichen und technologischen Wandel an der Universität Bonn. Seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung, Armut, Beschäftigung, Nachhaltigkeit und Innovation. Er ist Mitglied, der deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), der Akademie der Wissenschaften des Vatikans, der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Fellow der American Association for the Advancement of Science, sowie der African Academy of Science. von Braun ist Vorsitzender des Bioökonomierates der Bundesregierung sowie Vizepräsident der Welthungerhilfe und Mitglied des Board der Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA) und Vice Chair des Board der Global Alliance for Improved Nutrition (GAIN). Er war Generaldirektor des International Food Policy Research Institute (IFPRI) in Washington DC.

 

HINWEIS:
Dieser Text ist der erste Teil der Artikelserie “Bioökonomie”. Alle weiteren Artikel finden Sie – nach Veröffentlichung im Magazin – unter: Dossier Bioökonomie

 

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