Eine globale Pandemie stellt Unternehmen sowie die Gesamtwirtschaft momentan vor ungeahnte Herausforderungen und erschwert sowohl das Tagesgeschäft als auch eine strategische Planung. Uns interessiert dabei die folgende Fragestellung: Wie verändert sich in diesen Zeiten der Unsicherheit die Bedeutung von Verantwortung und CSR in Unternehmen? Zu diesem Thema haben wir “5 Fragen an…” Prof. Dr. Peter Eigen.
(1) Beginnen wir mit Ihrem professionellen Hintergrund. Was machen Sie zurzeit beruflich, wo engagieren Sie sich und inwiefern haben Sie einen Bezug zur Wirtschaftsethik? Wie ist Ihre Institution von der Pandemie betroffen?
Peter Eigen: Nach 25 Jahren Entwicklungsarbeit bei der Weltbank habe ich 1993 Transparency International (TI) gegründet und setze mich seitdem für eine bessere Regierungsführung ein. Gegenwärtig arbeite ich in leitender Funktion in der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform, Berlin (gründete dort die Climate Transparency Initiative, die Fisheries Transparency Initiative, und leite mit Ex-Präsident Obasanjo die Africa Progress Group, Abeokuta). Meine Grundidee ist der Einsatz von Multi-Stakeholder Mechanismen für bessere Regierungsführung (Zusammenwirken von Staat, Privatunternehmen und Organisierter Zivilgesellschaft)
(2) Weiter geht es mit einer Evaluation der Corona-Krise: Ist diese Krise Ihrer Meinung nach eine Krise wie jede andere oder was ist das Neue an ihr?
Peter Eigen: Das Neue an der Corona-Krise ist ihre unbeherrschbare globale Macht, die einer schlecht regierten wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Globalisierung gegenüber steht.
(3) Nun interessiert uns, inwiefern Sie den Umgang und die Lastenverteilung der Pandemie- Herausforderung als gerecht empfinden. Inwiefern beurteilen Sie die Lastenverteilung zwischen verschiedenen Akteuren a) aus gesamtgesellschaftlicher / gesamtökonomischer Sicht und b) aus Ihrer aktuellen beruflichen / ehrenamtlichen Sicht als angemessen und fair verteilt?
Peter Eigen: Die Wirkung der Pandemie ist zutiefst ungerecht, sowohl innerhalb der betroffenen Länder, als auch zwischen den verschieden entwickelten Gesellschaften. Die Armen, die Schwachen tragen wiederum die größte Last. Für die Korrektur dieser Ungerechtigkeit fehlt es an effektiver gesellschaftlicher Kontrolle. Nationalstaaten haben weder (1) die geographische Reichweite, noch (2) einen symmetrischen Zeithorizont, noch (3) eine equivalente “constituency” um die globalisierte Wirklichkeit zu steuern. Trotzdem stützen wir uns vor allem auf nationalstaatliche Autorität für adequate Lösungen.
(4) Weiter geht es mit einer Grundsatzfrage: Denken Sie, dass die Corona-Krise einen Anstoß zur Diskussion einer grundsätzlichen Neukonzeption der Art, wie wir zukünftig wirtschaften möchten, darstellt?
Peter Eigen: Die Corona-Krise wird einen Beitrag leisten zur gesellschaftlichen Erkenntnis, dass wir keine adequate globale Regierungsführung haben. Hoffentlich werden in der Zukunft neben den Nationalen Regierungen künftig CSOs und Unternehmen in einem deliberativen Prozess einbezogen (ein “Dreieck der guten Regierungsführung”, wie z.B. bei TI, bei EITI und anderen Multi-Stakeholder Initiativen)
(5) Nun zur letzten Frage: Sehen Sie die Postwachstumsökonomie als eine Antwort auf die Corona- Krise oder vertrauen Sie auf die Vision eines ökologischen Wachstums als Weg aus der Krise?
Peter Eigen: Hoffentlich wird die Welt, vor allem in den reichen G7 und G20 Staaten, lernen wie wichtig ein gerechter ökologischer Wachstumsansatz ist (etwa im Sinne MDGs). Die Möglichkeit einer solchen Entwicklung wird weitgehend von drei Faktoren abhängen:
- der Abwahl mächtiger Regierungen in den nächsten Monaten;
- dem sozialverantwortlichen (ethischen) Verhalten der Privatwirtschaft; und
- dem wirkungsvollen Einsatz relevanter Zivilgesellschaftlichen Organisationen