In CSR steckt Responsibility und damit Verantwortung. Oft ist aber unklar, wie die guten Traditionen verantwortlichen Wirtschaftens und gesellschaftlichen Engagements mit dem CSR-Trend zusammenhängen. Gerade Unternehmen des Mittelstands sind oft skeptisch und zwar zu recht, sagt Prof. Dr. Joachim Fetzer, Vorstand des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik. Dabei kommt es nur auf die richtige Konzeption und realistischen Erwartungen an. Denn verantwortliche Unternehmen sind so nötig wie nie zuvor.

Was bedeutet CSR heute für Sie?
Prof. Fetzer: Ich spreche eigentlich lieber von Unternehmensverantwortung statt von CSR. Aber Corporate Social Responsibility ist nun mal in der Welt, getriggert vor allem von den Aktivitäten der EU-Kommission seit 2001. Darunter wird Unterschiedliches verstanden und man redet oft aneinander vorbei. Ich würde drei Inhalte unterscheiden. Das eine nenne ich Add-On-CSR: Das sind konkrete Maßnahmen und Projekte vom Kultursponsoring bis zur Katastrophenhilfe, mit denen Unternehmen zeigen, dass sie gute Bürger sind, dass sie sich in der nahen Region oder der Ferne engagieren und dass man ihnen vertrauen kann. Betont wird das freiwillige Engagement. Die EU-Definition von 2004 geht in diese Richtung.

Das zweite ist die Daily-CSR und enspricht der ganz anderen EU-Definition von 2011. Es geht darum, dass Unternehmen für die Folgen ihres alltäglichen Handelns, daher: daily, Verantwortung übernehmen und vor allem, dass sie sich diese Folgen bewusst machen. Wissen wir, was in der oft weltweiten Lieferkette passiert? Welche Auswirkung haben unsere Standortentscheidungen für das regionale Umfeld? Ist unser Marketing verantwortbar? Die Diskussion über Berichterstattung von Unternehmen zu nicht-finanziellen Aspekten ist ein strittiges Detail dieser CSR-Definition.

Das dritte wäre Development-CSR: Wo sehen wir gesellschaftliche Aufgaben, zu denen wir durch Produkt- und Prozessinnovationen etwas beitragen können? Wohin will sich unser Unternehmen entwickeln? Wie können wir innovative Beiträge zur Nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leisten und dabei unser Unternehmen auf die Zukunftsmärkte vorbereiten? Manche sprechen hier auch von „Creating Shared Value“, also Werte für die Gesellschaft schaffen und dabei den Unternehmenswert erhöhen.

Das sind drei sehr unterschiedliche Ausprägungen von CSR, die alle ihre Berechtigung haben. Aber man sollte sagen, wovon man spricht.

Gibt es typische Fehler im CSR-Management?
Prof. Fetzer: Der Hauptfehler wäre, nicht zu wissen, was man eigentlich tut und was jetzt das Vordringliche ist. CSR liegt heute quasi in der Luft. Politik fordert und manche Berater empfehlen einfach ‚mehr CSR‘. Die Versuchung liegt also nahe, zu sagen ‚Heute macht jeder CSR, da müssen wir auch was machen. Was für eine Aktion können wir machen?‘ Das ist unnötig und kann kontraproduktiv sein.

Ein drastisches Beispiel: Wenn in einer Abteilung die Stimmung schlecht ist, die Prozesse nicht funktionieren, Mitarbeiter Führungsdefizite erleben und Führungskräfte zwischen Erfolgszielen und angstbesetzter Unternehmenskultur eingeklemmt sind, wenn also Probleme bei Daily-CSR vorliegen, dann hilft es nichts, als Maßnahme zu Teambuilding und Add-On-CSR mit der Abteilung den örtlichen Kindergarten zu renovieren. Das wird nach hinten losgehen. Die gleiche Maßnahme kann aber das motivierende Sahnehäubchen sein, wenn Daily-CSR funktioniert. Kurz: Man kann mit CSR-Maßnahmen, meistens Add-On-CSR, keine Defizite der Unternehmensverantwortung, also Daily-CSR, kompensieren, nicht nach außen und schon gar nicht nach innen.

Unternehmen, die heute gute CSR-Maßnahmen machen, tun dies oft schon viel länger als es den Begriff überhaupt gibt. Und es ist natürlich großartig, wenn regional verwurzelte Unternehmen sich aus Tradition für die Region engagieren. Da läuft dann manchmal sogar Add-On-CSR mit Development-CSR Hand in Hand. Aber es ist nicht ratsam, auf einen Zug aufzuspringen, nur weil andere es tun. Und vor allem gibt es eben derzeit drei ‚CSR-Züge‘. Das schafft Verwirrung.

Stärken CSR-Maßnahmen das Vertrauen ins Unternehmen?
Prof. Fetzer: Bekanntlich entsteht Vertrauen langsam und wird schnell zerstört. Vertrauen wächst nicht durch CSR-Maßnahmen, sondern durch das Nicht-Enttäuschen von Erwartungen. Was ich als Daily-CSR bezeichne, hat einfach das Ziel, die Erwartungen der Gesellschaft zu kennen, selber zu bewerten und – sofern die Erwartungen berechtigt sind – nicht unnötig zu enttäuschen. CSR kann insofern vorhandenes Vertrauen rechtfertigen und bewahren.

Viele CSR Maßnahmen funktionieren aber add-on nach dem Motto ‚Tue Gutes und rede darüber‘. Damit wird hier und da auch mal Vertrauen gestärkt, aber gleichzeitig werden Erwartungen erhöht. Und je höher die Erwartungen, desto höher auch das Risiko für Enttäuschungen. Unternehmen sollten meines Erachtens zurückhaltend dabei sein, Erwartungen zu schüren, welche über die vier Kernaufgaben eines Unternehmens hinausgehen, nämlich gute Produkte und Dienstleistungen anzubieten, dieses effizient zu tun, Innovationen in die Gesellschaft zu tragen und die dabei entstehenden Risiken selber zu tragen. Das ist nämlich schon eine ganze Menge.

Lässt sich die Wirkung von CSR-Maßnahmen messen?
Prof. Fetzer: Wer den klimaschädlichen CO2-Ausstoß reduzieren will, Daily-CSR, der sollte diesen auch messen. Das ist evident und nur eines von vielen Themen, bei denen ohne Wirkungsmessung auch die Ernsthaftigkeit in Frage steht.

Es gibt aber auch sinnvolle und gute Add-On-CSR-Maßnahmen, für die es eher umgekehrt ist. Die Ernsthaftigkeit solcher Maßnahmen zeigt das Unternehmen am besten dadurch, dass es darauf verzichtet, den Nutzen für das Unternehmen überhaupt messen zu wollen. Erst so wird es glaubwürdig.

In der Forschung gibt es zahlreiche Ansätze, CSR-Maßnahmen und deren Wirkungen messbar zu machen. Dabei ist aber der Messaufwand oft größer als der Nutzen der Erkenntnis. Am liebsten würde man natürlich den Zusammenhang zwischen einzelnen durchgeführten CSR-Maßnahmen und eventuellen Veränderungen bei einem messbaren Reputationswert des konkreten Unternehmens wissen wollen. Ob sich das jemals valide messen lassen wird, möchte ich nicht abschließend beurteilen. Ich bin eher skeptisch.

Schließlich muss man auch die Frage stellen, ob die häufig vorhandene Zahlenfixierung nicht zum Selbstzweck geworden ist, eine Checklistenmentalität befördert und die Wahrnehmung von Verantwortung eher behindert. Es gibt inzwischen so viele hilfreich Tools, die beim Management von Unternehmensverantwortung helfen, vom CSR-Risk-Checker bis zur ISO 26.000. Es macht keinen Sinn, bei der Wirkungsmessung zu beginnen, bevor man wagt, etwas zu tun.

Sollten Unternehmen besser auf ausdrückliche CSR-Maßnahmen, auf Spenden und gemeinsames Engagement verzichten?
Prof. Fetzer: Keineswegs! Wenn Menschen beim ehrenamtlichen Engagement Zeit und Kompetenz spenden oder andere Menschen einfach mit Geldspenden helfen, dann ist das wunderbar. Warum sollten Unternehmen das nicht auch tun? Worauf ich hinweisen will, ist der Unterschied zwischen Engagement und Verantwortung. Wenn wir uns als Menschen aktiv für Vereine engagieren – das tun glücklicherweise immer noch viele -, und vielleicht sogar beim täglichen Einkauf nicht nur auf den günstigsten Preis, sondern sogar auf die Herstellungsbedingungen der Produkte und entsprechende Zertifikate achten – das tun einige -, aber gleichzeitig bei der Steuererklärung tricksen was das Zeug hält, dann werden wir unserer Alltagsverantwortung eben nur teilweise gerecht.

Aber niemand ist perfekt. Das wäre unmenschlich. Also sollten wir auch Unternehmen immer wieder einen Vertrauensvorschuss schenken. Und Unternehmen sind gut beraten, nicht alles messen zu wollen, sondern sich mit Vertrauen beschenken lassen und an der eigenen Vertrauenswürdigkeit arbeiten. Das betrifft vor allem Daily-CSR, auch wenn diese nicht in hell strahlende Aktionen zu verpacken ist, sondern ein mühsames und kleinteiliges Geschäft ist.

Wofür steht das DNWE?
Prof. Fetzer: Das DNWE wurde vor über 20 Jahren gegründet. Stichworte wie CSR, Compliance und Corporate Governance waren damals noch Fremdwörter, Bestechung im Ausland war noch als ’nützliche Aufwendung‘ steuerlich abzugsfähig und ‚Kartellabsprachen‘ galten als Kavaliersdelikt. Da hat sich viel verändert und nun stehen neue Herausforderungen vor der Tür. Die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen haben schon und werden weiter den Fokus und die Erwartungen auch an die Wirtschaft verändern. Viele Hochschullehrer aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen, aber vor allem auch Unternehmen, zivilgesellschaftliche Akteure und Berater nutzen das DNWE als Ort des nachdenklichen und kritischen Gesprächs zu den aktuellen Entwicklungen unserer drei Themenfelder – Nachhaltige Entwicklung, Compliance & Integrität sowie eben Unternehmensverantwortung. In vielen Gremien, Ausschüssen und Podien, mit Gutachten, Studien und Forschungsergebnissen oder mit konkretem Rat gestalten unsere Mitglieder diese Themen mit – meistens mit dem Blick auf die längeren Entwicklungen denn mit dem Fokus auf schnelle Aktionen. Denn DNWE steht ja für das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik, die deutsche Sektion des European Business Ethics Network.

Bild: Prof. Dr. Joachim Fetzer

 

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