Dieses Interview stellt einige grundlegende Thesen zur Diskussion, die aus der Perspektive des ordonomischen Forschungsprogramms hergeleitet werden. Die vorgestellten Überlegungen betreffen zum einen den Ukraine-Krieg, zum anderen die Klimapolitik. Beide Politikbereiche, so das Hauptargument, sind anfällig für ein Diskursversagen, welches durch bestimmte Denkfehler ausgelöst wird, die hier mit den Stichworten “Moralkonfusion” und “dichotom(an)isches Tradeoff-Denken” markiert werden. Diese Denkfehler werden auch mit vielen weiteren Beispielen anschaulich illustriert.

 

auf + ab: Am 24. Februar dieses Jahres wurde die Ukraine von russischen Truppen überfallen. Sie, Herr Professor Pies, haben sich dazu Anfang März öffentlich geäußert. Thematisch fällt das nicht in Ihr Metier. Deshalb lautet unsere Einstiegsfrage: Was hat Wirtschaftsethik mit dem Ukraine-Krieg zu tun?

IP: Ich habe in den letzten Monaten gleich mehrfach zum Ukraine-Krieg Stellung genommen. Die konkreten Anlässe waren unterschiedlich. Aber meine öffentlichen Interventionen weisen die Gemeinsamkeit auf, dass ich mich stets als Wirtschaftsethiker geäußert habe. Das war möglich, weil ich diese Wissenschaftsdisziplin nicht primär thematisch, sondern primär methodisch interpretiere: als Analyse moralischer Missstände und möglicher Optionen, durch die Anreizwirkungen institutioneller Arrangements moralischen Fortschritt zu erzeugen. Das analytische Handwerkszeug dafür wird vom ordonomischen Forschungsprogramm bereitgestellt, das wir hier in Halle am Lehrstuhl entwickeln.[1]

 

auf + ab: Worum ging es bei Ihrer ersten Intervention?

IP: Die ordonomisch fundierte Wirtschaftsethik betrachtet Markt und Staat nicht als Gegensätze. Vielmehr handelt es sich um komplementäre Einrichtungen, wobei der Staat mit seinem Gewaltmonopol typischerweise auf Verbote und Zwang setzt, während der Markt eher mit Prozessen freiwilliger Tauschakte operiert. Plakativ zugespitzt: Der Markt ist eine Belohnungsinstitution, der Staat eine Bestrafungsinstitution. Interessanterweise kann man den Staat aber auch für selektive Belohnungen einsetzen, um besondere Anreizwirkungen zu entfalten. Und genau das war die Idee, die ich zur Diskussion stellen wollte: Während die öffentliche Debatte monothematisch darauf ausgerichtet war, wie der Westen die ukrainischen Verteidiger militärisch stärken könnte, wollte ich darauf hinweisen, dass es – zumindest als Ergänzung – auch überlegenswert wäre, wie man die Invasionstruppen schwächen könnte. Mein Vorschlag bestand darin, offensiv zu kommunizieren, dass russische Deserteure vom Westen als Flüchtlinge willkommen geheißen werden. Die militärische Anreizwirkung habe ich als “disruptive Belohnung” bezeichnet. Mein Argument stellte darauf ab, zwei Moralperspektiven miteinander zu vergleichen. Der Kerngedanke lautete in der zugespitzten Formulierung des Schlussabsatzes: “Die erste Moralperspektive lässt uns darüber nachdenken, wie wir den Ukrainern helfen können, russische Soldaten umzubringen. Die zweite Moralperspektive lässt uns darüber nachdenken, wie wir russische Soldaten davon abbringen können, Ukrainer umzubringen. Die zweite Perspektive hat Vorzüge, gerade auch aus moralischer Sicht. Warum also setzen wir nicht auf disruptive Belohnung – wenigstens als Komplement?“[2]

 

auf + ab: Worum ging es bei Ihrer zweiten Intervention?

IP: Einige namhafte Kollegen mit wirtschaftsethischen Lehrstühlen in der Schweiz und in Österreich hatten sich in der ZEIT zu einem unternehmensethischen Thema geäußert. Sie vertraten die These, dass westliche Unternehmen – abgesehen von wenigen Sonderfällen, wie beispielsweise dem Export lebenswichtiger Medikamente – moralisch verpflichtet seien, auf freiwilliger Grundlage sämtliche Geschäftsbeziehungen mit Russland abzubrechen.[3] In Deutschland diskutierte man damals sehr intensiv die Frage, ob die Bundesregierung aufhören solle, russisches Gas zu importieren. In diesem Kontext sah es so aus, als würden die Kollegen die Meinung vertreten, dass Unternehmen unabhängig von der Regierung – und gegebenenfalls gegen den erklärten Willen der Regierung – verpflichtet seien, deutsche Gasimporte zu beenden. Meine Gegenthese lautete, dass die von den Kollegen aufgestellte Forderung an die Unternehmen auf eine Überforderung hinauslaufen würde. Mein Argument: Unternehmen stehen im Wettbewerb. Wenn man will, dass sie lukrative Geschäftsbeziehungen abbrechen, dann muss man das für alle verbindlich machen. Sonst läuft man Gefahr, dass ein freiwilliges Regime zum Trittbrettfahren einlädt. Im konkreten Fall sind nicht die Unternehmen, sondern die Regierungen gefordert, Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Wenn man das von Unternehmen erwartet, betreibt man Unternehmensethik ohne wirtschaftsethische Fundierung. Das ist so, als wollte man ein Haus auf Treibsand errichten – oder ein Schloss in den Wolken. So etwas geht immer schief. Meine Kritik hatte folgenden Wortlaut: “Wer die Eskalierung von Boykott und Embargo für nötig hält, sollte sie per Gesetz vorschreiben (wollen). Alles andere ist nicht marktkonform und fordert die Unternehmen nicht, sondern überfordert sie (und bringt sie z.T. sogar in Konflikt mit der Entscheidungsverantwortung demokratisch gewählter Regierungen).”[4]

 

auf + ab: Was war das Thema Ihrer dritten Intervention?

IP: Wirtschaftssanktionen. Ich wollte auf eine wichtige Unterscheidung aufmerksam machen: Wirtschaftssanktionen können als Kriegsinstrument oder als Friedensinstrument eingesetzt werden.[5] Diese Unterscheidung nimmt genau den Gedanken auf, der schon meiner ersten Intervention zugrunde lag, den Gedanken nämlich, dass wir mit der Logik von Belohnung und Bestrafung differenziert(er) umgehen sollten.

 

auf + ab: Könnten Sie das bitte näher erläutern?

IP: Es kommt auf die Stoßrichtung an, mit der Wirtschaftssanktionen verhängt und kommuniziert werden. Da muss man zwei Versionen unterscheiden. Die erste Version ist rückwärtsgewandt und bestrafungsorientiert. Hier werden Wirtschaftssanktionen unkonditioniert eingesetzt, nach dem Motto: Nie wieder Geschäfte mit Russlands Putin. Die zweite Version ist zukunftsgewandt und belohnungsorientiert. Hier werden Wirtschaftssanktionen konditioniert eingesetzt, nach dem Motto: Wir heben die Sanktionen wieder auf, um Wohlverhalten zu belohnen. Die zweite Version ist friedensstiftend, weil mit den Sanktionen eine Verhandlungsmasse geschaffen wird, die man nach einem Waffenstillstand in Friedensgesprächen auf den Tisch legen kann, um zu verhindern, dass Russland der Ukraine einen Diktatfrieden aufzwingt. Im Klartext: Mit der konditionierten Rücknahme konditionierter Sanktionen wird man Russland zu Zugeständnissen an die Ukraine bewegen können. Das geht aber nur, wenn die Bevölkerung im Westen versteht, dass die Sanktionen nicht primär zur (unkonditionierten) Bestrafung Russlands für vergangenes Fehlverhalten, sondern vielmehr zur (konditionierten) Belohnung Russlands für zukünftiges Wohlverhalten eingesetzt werden, also nicht als Instrument eines Wirtschaftskrieges, der Russland ökonomisch in die Knie zwingen will, sondern als Friedensinstrument, um Verhältnisse konstruktiver Zusammenarbeit schrittweise wiederherzustellen. Kommuniziert man die Sanktionen hingegen innenpolitisch als Kriegsinstrument, dann schafft man heute Erwartungen, die man morgen enttäuschen muss, wenn man sich außenpolitisch klug verhalten will. Viele Bürger werden es den Politikern (und Unternehmen) als Verrat ankreiden, wenn man die Geschäfte dereinst wieder aufnimmt.

 

auf + ab: Sie haben jetzt stark die innenpolitischen Nachteile betont. Gibt es auch außenpolitische Nachteile, wenn man die Wirtschaftssanktionen nicht klar konditioniert?

IP: Allerdings, die gibt es. Und diese Nachteile sind ebenfalls gravierend: Wenn wir mit unkonditionierten Wirtschaftssanktionen die Zukunftsaussichten Russlands verdunkeln, dann laufen wir Gefahr, dass dies den Krieg prolongiert. Einerseits kann die russische Regierung die westlichen Sanktionen propagandistisch nutzen, um in der eigenen Bevölkerung Solidarisierungseffekte zu erzeugen. Zum anderen kann sich die russische Regierung genötigt sehen, militärisch noch größere Erfolge vorzeigen wollen, um das Absinken des Lebensstandards für die eigene Bevölkerung rechtfertigen zu können. Unkonditionierte Wirtschaftssanktionen haben also durch mehrere Kanäle eine eskalierende Wirkung auf den Konflikt. Das ist nicht klug. Besser wäre es, zur De-Eskalation beizutragen. Das geht nur mit vernünftig konditionierten Wirtschaftssanktionen. Russland muss wissen, unter welchen Bedingungen der Westen bereit ist, die Kooperation schrittweise wieder aufzunehmen. Wir sollten deshalb die wirtschaftlichen Aussichten Russlands nicht grenzenlos verdunkeln, sondern ganz im Gegenteil immer Licht am Ende des Tunnels aufscheinen lassen. Nur so lässt sich auch dem Solidarisierungseffekt begegnen. Formelhaft zugespitzt: Wirtschaftssanktionen ja – Wirtschaftskrieg nein.

 

auf + ab: Das waren drei thematisch unterschiedliche Interventionen. Gibt es einen roten Faden, der die Beiträge zusammenhält?

IP: Der rote Faden ist die ordonomische Methode, der Denkansatz.

 

auf + ab: Das müssten Sie bitte erläutern.

IP: Die Ordonomik arbeitet mit einer rational-choice-basierten Folgenabschätzung institutioneller Anreizarrangements. Das ist gewissermaßen ihr ökonomisches Standbein. Ihr zweites Standbein ist eher philosophischer Natur. Da geht es um die Untersuchung von Denkweisen, insbesondere darum, ob Moralurteile über systemische Sachverhalte gut begründet sind. In vielen Fällen sind sie es nicht.

 

auf + ab: Ihr ordonomischer Ansatz bearbeitet also zwei unterschiedliche Arten von Problemen?

IP: In der Tat. Das erste Problem verhandle ich unter dem Stichwort “Sozialstruktur”, das zweite unter dem Stichwort “Semantik”. “Sozialstruktur” ist ein Sammelbegriff für die Governance-Arrangements der modernen Gesellschaft mitsamt ihren Anreizwirkungen. Hier geht es um die Ordnung der Institutionen in Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und medialer Öffentlichkeit. Für den ordonomischen Ansatz ist es von zentraler Bedeutung, dass sämtliche Funktionssysteme der modernen Gesellschaft wettbewerblich strukturiert sind, so dass wir die Handlungslogik von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit mit einem spieltheoretisch aufmunitionierten Rational-Choice-Ansatz ökonomisch dechiffrieren können, also gewissermaßen mit einer Kombination von Gary S. Becker und Thomas C. Schelling.[6] Deshalb spielt innerhalb der Ordonomik die Analyse sozialer Dilemmata eine so zentrale Rolle. Mit diesen Modellen kann man besonders gut die ökonomische Einsicht vermitteln, dass Institutionen dazu dienen, die nicht-intendierten Folgen intentionalen Handelns zu kanalisieren. – “Semantik” ist eine Sammelbezeichnung für die sprachlichen Begriffe und die ihnen zugrunde liegenden Denkkategorien. Hier geht es um die Ordnung der Ideen. Untersucht wird der Wahrnehmungsrahmen, die Denkordnung. Die ordonomische Leitfrage zur Semantikanalyse lautet: Wie wird gedacht, wenn so gedacht wird, wie hier gedacht wird? Oder anders: Worauf fokussiert der dominante Wahrnehmungsrahmen, und wo liegt sein blinder Fleck? – Damit können wir folgende Arbeitsdefinition aufstellen: Die Ordonomik analysiert die Interdependenzen und insbesondere die Diskrepanzen zwischen Sozialstruktur und Semantik, also die Mismatch-Probleme zwischen Institutionen und Ideen, für deren Überwindung gesellschaftliche Lernprozesse erforderlich sind. Zu solchen Lernprozessen trägt die Ordonomik bei mit konstruktiv-kritischen Vorschlägen für die wechselseitige Anpassung von Anreizordnung (= Institutionen) und Denkordnung (= Ideen).

 

auf + ab: Das ist sehr abstrakt. Geht es vielleicht auch konkreter?

IP: Na klar. Die erste Intervention hat einen institutionellen Reformvorschlag unterbreitet. Das betraf eine Regeländerung zugunsten einer asymmetrischen Kriegsführung, die auf disruptive Belohnung setzt. Da ging es um Sozialstruktur. Die zweite Intervention hat einen semantischen Reformvorschlag unterbreitet. Da ging es um eine aus meiner Sicht dringend korrekturbedürftige Vorstellung von Unternehmensverantwortung, um eine Kritik schlechter Ideen. Das betraf die Semantik. Die dritte Intervention zielte darauf, die Ordnung der Institutionen und die Ordnung der Ideen gleichzeitig zu reformieren: Wirtschaftssanktionen sollten nicht als Kriegsinstrument, sondern als Friedensinstrument eingesetzt und dann auch innen- und außenpolitisch so kommuniziert werden. Hier ging es also darum, Sozialstruktur und Semantik anders auszurichten und besser zusammenzuführen.

 

auf + ab: Wenn Sie es so formulieren, wird in der Tat ein Muster erkennbar: Man kann (a) Institutionen an Ideen anpassen, (b) Ideen an Institutionen anpassen sowie schließlich (c) Ideen und Institutionen wechselseitig anpassen. Richtig?

IP: Absolut richtig: Rein konzeptionelle Klärungen betreffen die Semantik. Vorschläge für intelligentere Anreizarrangements betreffen die Sozialstruktur. Und manchmal muss man beides – Ideen und Institutionen, Argumente und Anreize – gleichzeitig in Angriff nehmen, um gesellschaftliche Lernprozesse voranzutreiben.

 

auf + ab: Aber ist es nicht dennoch ein großer Spagat, wenn Sie sich als Wissenschaftler zu tagespolitischen Fragen öffentlich äußern?

IP: Ich begreife das nicht als Spagat, sondern als integralen Bestandteil der ordonomischen Forschungsheuristik. Die Ordonomik, so wie ich sie betreibe, ist immer beides zugleich: einerseits hoch abstrakte Grundlagenforschung; andererseits möglichst konkrete Anwendungsforschung. Sie können das daran ablesen, wie einige meiner Bücher aufeinanderfolgen: Meine Dissertation war eine Grundlagenarbeit über “Normative Institutionenökonomik”[7]. Das nächste Buch war eine extrem praktische Anwendung mit sehr konkreten Reformvorschlägen für eine “Rationale Drogenpolitik in der Demokratie”[8]. Meine Erfahrungen mit drogenpolitischer Politikberatung habe ich zu einer Habilitationsschrift über Wirtschafts- und Sozialpolitik verarbeitet: “Ordnungspolitik in der Demokratie”[9]. Danach gibt es dann ein buntes Wechselspiel zwischen Anwendungsforschung und Grundlagenforschung. Zur Anwendungsforschung gehören die Bücher “Wie bekämpft man Korruption?”[10] sowie “Hunger durch Agrarspekulation?”[11]. Zur Grundlagenforschung gehören Bücher wie “Moral als Heuristik”[12] und “Moral als Produktionsfaktor”[13], die den ordonomischen Ansatz zur Wirtschafts- und Unternehmensethik vorstellen, sowie des weiteren Bücher wie etwa “Diagnosen der Moderne”[14] oder “Regelkonsens statt Wertekonsens”[15].

 

auf + ab: Warum ist Ihnen dieses Wechselspiel von Grundlagenforschung und Anwendungsforschung wichtig?

IP: Weil nichts so praktisch ist wie eine gute Theorie. Oder anders formuliert: Ob eine Theorie wirklich gut ist, zeigt sich zuvörderst in ihrer praktischen Anwendung. Für mich ist die konkrete Stellungnahme zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen also einerseits ein Test für die Leistungsfähigkeit der Theorie, und andererseits sind die durch solche Stellungnahmen gewonnenen Erfahrungen und Einsichten oft Ansporn und Anregung für eine Weiterentwicklung der Grundlagenforschung. Um Ihnen sogleich ein konkretes Beispiel hierfür zu geben: Die tagespolitischen Auseinandersetzungen mit einigen zivilgesellschaftlichen Organisationen über die vermeintlich Hunger erzeugenden Terminmarktgeschäfte von Indexfonds haben ihren theoretischen Niederschlag darin gefunden, dass die Ordonomik ganz grundlegend als ein Ansatz zur Diagnose und Therapie demokratischen Diskursversagens ausgearbeitet worden ist. Hier fokussiert die Ordonomik auf die politischen und wirtschaftlichen Folgen moralischer Fehlurteile. Moralische (Selbst-)Missverständnisse können gesellschaftlich außerordentlich dysfunktional sein.

 

auf + ab: Sie betrachten Ihre Stellungnahmen zum Ukrainekrieg als eine Art Leistungstest für Ihren ordonomischen Ansatz?

IP: So ist es. Man muss das Wagnis eingehen, dass die eigene Theorie scheitern kann. Dafür muss man riskante Anwendungen suchen, also die rein akademische Komfortzone verlassen, in der man sich – auch unter dem Druck des Peer Review – gegen mögliche Kritik von vornherein möglichst immunisiert. Vielleicht sollte ich das noch näher erläutern. Nehmen wir als konkretes Beispiel Jürgen Habermas, einen sehr bekannten und extrem einflussreichen Sozialwissenschaftler und Philosophen.

 

auf + ab: Den Hauptvertreter der Diskursethik?

IP: Genau den. Ich will mich jetzt aber nicht zur Person Habermas äußern, sondern zu seinem Ansatz. Für die Person habe ich volle Hochachtung, schon allein wegen seines beeindruckenden Leistungspensums, das auf ein vorbildliches Arbeitsethos schließen lässt. Für seinen Ansatz hingegen hält sich meine Hochachtung doch eher in Grenzen. Das liegt daran, dass die öffentlichen Interventionen von Habermas gravierende Defizite seiner Grundlagentheorie offenbaren. Um nur ein Beispiel zu geben: In seinen Schriften zur “postnationalen Konstellation” empfiehlt er den Politikern im Nationalstaat und in der Europäischen Union, sich schon heute so zu verhalten, als gäbe es in der Bevölkerung bereits ein Bewusstsein globaler Solidarität, obwohl er selbst eingestehen muss, dass es das auf absehbare Zeit nicht geben wird. Das hat natürlich die auf der Hand liegende Folge, dass Politiker mit einem solchen Verhalten unter realen Bedingungen Wahlen nicht gewinnen, sondern verlieren werden. Aus meiner Sicht ist das keine ernsthafte Politikberatung, sondern akademisch verklausuliertes Wunschdenken.[16] Für manche Ohren hört sich das gut an, ist aber schlecht durchdacht.

 

auf + ab: Das ist eine radikale Kritik.

IP: Ja, aber sie ist gut begründet. Ratschläge, die sich nicht implementieren lassen, sind keine guten Ratschläge; und eine Theorie, die schlechte Ratschläge gibt, ist keine gute Theorie. Deshalb mache ich keinen Hehl daraus: Ich halte die Theorie von Habermas für enorm überschätzt und mache sie mit dafür verantwortlich, dass es – zumal im deutschen Sprachraum – in der moralphilosophischen Literatur im Allgemeinen sowie in der wirtschafts- und unternehmensethischen Literatur im Besonderen einen ausgeprägten Hang zum utopischen Postulieren und Appellieren gibt. Hier mangelt es im Wissenschaftsbetrieb an Urteilskraft: Die Diskursethik ist deutlich schlechter als ihr Ruf. Sie genießt hohes Ansehen, bis in die Schulbücher hinein. Aber ihre theoretische Leistungsfähigkeit ist niedrig. Ich will damit sagen: Diese Kaiserin hat keine Kleider an.

 

auf + ab: Okay, dann machen wir jetzt die Probe aufs Exempel. Wie können Sie mit Ihrem ordonomischen Ansatz zur aktuellen Klimapolitik kompetent Stellung beziehen?

IP: Einverstanden. Darauf lasse ich mich gerne ein. Aber nur deshalb, weil ich schon seit vielen Jahren damit beschäftigt bin, über Klimapolitik intensiv und gründlich nachzudenken. Die Ordonomik ist kein Ansatz, um Patentrezepte aus dem Hut zu zaubern. Sie versetzt auch nicht in die Lage, treffsicher aus der Hüfte zu schießen. Vernünftige Vorschläge müssen hart erarbeitet werden. Ohne Sachkenntnis geht es nicht. Kompetenz ist nicht substituierbar. Aber das Generieren geeigneter Vorschläge geht leichter von der Hand, wenn man das ordonomische Denkwerkzeug zur Hilfe nimmt. Bei komplexen Themen kommt es darauf an, eine methodisch kontrollierte Komplexitätsreduktion verfügbar zu haben. Sonst verliert man schnell den Überblick und verzettelt sich in Details, die für das große Ganze wenig relevant sind.

 

auf + ab: Jetzt sind wir gespannt.

IP: Okay. Auf die Plätze, fertig, los. Ich formuliere meine ordonomische Stellungnahme mit einem einzigen Satz. Er lautet: Eine einheitliche Bepreisung von Treibhausgasen ist wünschenswert, aber sie ist weder notwendig noch hinreichend, um den mit globaler Erwärmung verbundenen Herausforderungen auf eine nachhaltig erfolgreiche Weise zu begegnen.

 

auf + ab: Das ist sehr dicht formuliert. Könnten Sie das bitte näher erläutern?

IP: Gerne. Hinter dieser verkürzten Formulierung steckt eine zugegebenermaßen komplexe Argumentation. Wenn Sie einverstanden sind, würde ich die gerne in vier gedanklichen Schritten zur Entfaltung bringen.

 

auf + ab: Schießen Sie los.

IP: Erster Schritt: Vom Klimawandel geht zwar – anders als beispielsweise von Meteoriteneinschlägen – auf absehbare Zeit keine existenzielle Gefährdung der Menschheit aus. Gleichwohl verbinden sich mit der globalen Erwärmung ernsthafte Gefahren. Über deren konkretes Ausmaß besteht Unsicherheit, zumal wir es hier mit sehr langen Zeiträumen zu tun haben, die nicht nur Jahre und Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte umfassen. Aber im Sinne einer Weltinnenpolitik klugen Risikomanagements ist es vernünftig, schon heute Maßnahmen zu ergreifen, die (a) die globale Erwärmung zeitlich verzögern, (b) ihr Ausmaß limitieren und (c) ihre Folgen abmildern. Insofern ist meine Kritik an der bisherigen Klimapolitik eine der Absicht nach konstruktive Kritik, die auf eine zukünftig bessere, effektivere Klimapolitik abzielt.

 

auf + ab: Sie sind also kein Leugner des Klimawandels und kein prinzipieller Gegner von Klimapolitik?

IP: Natürlich nicht. Ich halte mich an die naturwissenschaftlichen Aussagen des Weltklimarats IPCC sowie an den ökonomischen Mainstream der Klimafolgenabschätzung.

 

auf + ab: „IPCC“ steht für „Intergovernmental Panel on Climate Change“.

IP: So ist es. Die drei Arbeitsgruppen des IPCC haben jüngst ihre Berichte vorgelegt.[17] Der zusammenfassende Synthesereport wird um den Jahreswechsel herum erwartet. Zudem gab es 2018 einen Sonderbericht.[18] Damit hat es übrigens eine besondere Bewandtnis. Das war nämlich eine Auftragsarbeit. Die Staatengemeinschaft wollte nach Abschluss des Pariser Abkommens wissen, was zu tun ist, wenn man die globale Erwärmung von der Basisperiode 1850-1900 bis zum Jahr 2100 unter 1,5° Celsius halten will. Die Antwort des IPCC lautete im Kern, dass man nur noch sehr wenig Zeit hat, um radikale Einsparungsmaßnahmen vorzunehmen, und dass es selbst dann ohne den baldigen Eintritt in den Bereich von Negativemissionen nicht gelingen wird. Oder anders gesagt: Das 1,5°-Ziel ist von vornherein unrealistisch.

 

auf + ab: Das ist aber nicht die Interpretation, die die öffentliche Wahrnehmung dominiert.

IP: Genau. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und Klimaschutzbewegungen favorisieren eine ganz andere Lesart, die dann medial einfach kolportiert wird. Da wird oft behauptet, dass der IPCC außerordentlich radikale Maßnahmen fordere, denen man sich dann mit der Aufforderung anschließt: “Follow the Science!”. Aber der Weltklimarat hat in seinem Sonderbericht keine normativen Forderungen aufgestellt, sondern lediglich festgestellt: Wenn die Politik das 1,5°-Ziel wirklich umsetzen wollte, wären außerordentlich radikale Maßnahmen erforderlich.

 

auf + ab: Zurück zu Ihrer Argumentation. Bitte fahren Sie fort.

IP: Zweiter Schritt: Für eine vernünftige Klimapolitik gibt es drei Strategien, die mitein­ander kombiniert werden sollten. (a) Man kann mit gegebener Technologie Treibhausgase einsparen. (b) Man kann Treibhausgase durch einen Technologiewechsel einsparen und durch forcierten Technologiewechsel vielleicht sogar Negativemissionen ermöglichen, also der Atmosphäre Treibhausgase entziehen oder den Erwärmungseffekt anderweitig (über-)kompensieren. (c) Ferner kann man die Folgen globaler Erwärmung mildern, indem man sich auf veränderte Klimabedingungen vor Ort ganz gezielt besser einstellt. Ich bezeichne diese drei Strategien als (a) Vermeidung (“Mitigation”), (b) radikale Innovation (“Radical Innovation”) und (c) Anpassung (“Adaptation”).

 

auf + ab: Wie lautet Ihr nächster Argumentationsschritt?

IP: Drittens: Die als nationaler Alleingang ins Werk gesetzte deutsche Klimapolitik ist von Grund auf falsch konzipiert, und dies gleich in allen drei Dimensionen. (a) Wir setzen zu einseitig und gleichzeitig viel zu wenig effektiv auf Vermeidung. (b) Wir vernachlässigen die Option radikaler Innovation(en). (c) Gleichzeitig versäumen wir wichtige Anpassungsmaßnahmen.

 

auf + ab: Inwiefern sind die deutschen Vermeidungsanstrengungen nicht effektiv? Immerhin haben wir eine Energiewende herbeigeführt.

IP: Eine Energiewende, die wir uns in den letzten 20 Jahren einen mittleren dreistelligen Milliardenbetrag haben kosten lassen und die trotzdem schon auf europäischer und erst Recht auf globaler Ebene so gut wie keine zusätzliche Klimaschutzwirkung entfaltet. Das muss uns erst mal einer nachmachen. – Vorschlag zur Güte: Der vierte Schritt besteht darin, einzelne Aspekte meiner Diagnose eines dreidimensionalen Klimapolitikdefizits genauer zu beleuchten.

 

auf + ab: Einverstanden.

IP: Lassen Sie mich mit der dritten Dimension beginnen. Wenn nach einem Starkregen in Deutschland über hundert Tote zu beklagen sind, dann lässt das auf ein gravierendes Defizit an Anpassungsmaßnahmen schließen.

 

auf + ab: Das leuchtet ein.

IP: Nun zur ersten Dimension: Die deutsche Energiewende zielt darauf ab, die Stromerzeugung auf Wind- und Sonnenenergie umzustellen. Damit verbinden sich nicht weniger als vier schwerwiegende Probleme:

  • Da derzeit keine Technologie vorhanden ist, um grünen Strom in großem Umfang zu geringen Kosten zu speichern, muss weiterhin auf eine Infrastruktur fossiler Brennstoffe (Gaskraftwerke) zurückgegriffen werden, um Spitzenlasten auch für den krisenanfälligen Ernstfall abzudecken, dass die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Das treibt die Systemkosten der Stromerzeugung bedenklich nach oben. Im Ausland wird das sehr argwöhnisch beobachtet und erzeugt dort, ganz gegen die deutsche Ambition, kaum eine Sogwirkung, die global zur Nachahmung inspirieren würde. Es erzeugt eher eine Abschreckungswirkung.
  • Die deutsche Energiewende wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, den Energiebedarf des Industriestandorts Deutschlands auf deutschem Boden zu decken. Wir werden also in bedeutendem Umfang auf Energieimporte angewiesen sein. Das bedeutet im Klartext: Wir reduzieren den Atomstrom und den Strom aus Kohle und Gas, der aus deutscher Produktion stammt. Aber wir werden nicht umhin kommen, die fehlenden Strommengen im Ausland zu kaufen. Und dort werden sie primär als Atomstrom oder mit der Verbrennung fossiler Energieträger hergestellt. Hier gibt es eine Art Drehtüreffekt. Deshalb vermitteln die auf rein deutsche Statistiken gegründeten Erfolgsmeldungen deutscher Klimapolitik einen tendenziell irreführenden Eindruck. Wir müssen auf die Systemfolgen im europäischen und globalen Kontext achten. Und da sind deutsche Erfolge nicht in Sicht.
  • Die deutsche Energiewende ist mit dem Europäischen Zertifikatehandel für Kohlendioxid-Emissionen nicht abgestimmt. Vielmehr wurde sie additiv aufgepfropft. Daran gibt es eine von Ökonomen lautstark geäußerte, aber nicht öffentlichkeitswirksam und schon gar nicht politikwirksam gewordene Kritik. Die macht geltend, dass die mit der Energiewende reduzierte deutsche Nachfrage nach Zertifikaten im System des Europäischen Zertifikatehandels neutralisiert wird, weil andere Sektoren bzw. andere Länder die frei gewordenen (und damit verbilligten) Zertifikate aufkaufen. Klimawirksam sind nur energiepolitische Maßnahmen, die die Anzahl der Zertifikate reduzieren. (Dieses Problem dupliziert sich übrigens auf der globalen Ebene: Die Reduktion der europäischen Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wird (über-)kompensiert durch Nachfrageausweitung andernorts. Das Grundübel ist, dass die bisherigen Vermeidungsanstrengungen sich allenfalls an die Nachfrageseite, nicht aber an die Angebotsseite richten und deshalb weitgehend verpuffen.)
  • Anstatt den Zertifikatehandel konsequent auszudehnen und dann Preise mit ihren Signal- und Anreizfunktionen den nötigen Strukturwandel herbeiführen zu lassen, hat sich die deutsche Klimapolitik für eine größtenteils planwirtschaftliche Sektorsteuerung mit detaillierten und kurzfristigen Vorgaben und Verboten entschieden, die auf politischer Willkür beruhen und Rentseeking-Prozessen Tür und Tor öffnen. Das von der Politik gewählte Instrumentarium ist extrem ineffizient und bewirkt so eine dramatische Verteuerung unserer Klimaschutzanstrengungen. Das wird unweigerlich Akzeptanzprobleme hervorrufen, kann also auf Dauer nicht nachhaltig sein.

Um es in den Begriffen einer Kosten-Nutzen-Analyse zusammenzufassen: Die als nationaler Alleingang ins Werk gesetzte deutsche Klimapolitik ist zu einseitig und zu wenig effektiv auf Vermeidung ausgerichtet. Sie kombiniert aufgrund konzeptioneller Defizite “low benefits” mit “high costs”. Für potentielle Nachahmer ist das kein Vorbild. Insofern sind die deutschen Erfolgsmeldungen tendenziell irreführend.

 

auf + ab: Was haben Sie gegen Sektorziele?

IP: Lassen Sie uns zum besseren Verständnis ein kleines Gedankenexperiment durchführen: Stellen Sie sich vor, Ihr Arzt gibt Ihnen den Rat, aus gesundheitlichen Gründen ab sofort jeden Tag eine Stunde lang Sport zu machen. Wie verändern Sie daraufhin Ihre Tagesplanung? Welche Aktivitäten streichen Sie? Welche schränken Sie ein? Welche dehnen Sie möglicherweise sogar aus? Wenn Sie jetzt gelegentlich auch mal mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren, verbringen Sie möglicherweise sogar mehr Zeit mit dem Transport der Waren. Wichtig ist, dass Sie Ihr Zeitportfolio so einrichten, wie es für Sie am besten ist, wie es Ihnen am besten passt. Die dafür nötigen Informationen haben nur Sie. – Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, dass das Gesundheitsamt Ihnen regulatorisch vorschreibt, dass Sie in Ihrem bisherigen Zehn-Stunden-Tag ab sofort jede Einzelaktivität um 10 % kürzen müssen, um Zeit für die eine Stunde Sport zu schaffen. Um Ihr Zeitmanagement zu überprüfen und das für erforderlich gehaltene Gesundheitsregime notfalls vor Gericht durchzusetzen, wird Ihnen eine detaillierte (und von Dritten beglaubigte) Dokumentation abverlangt. Damit sind zahlreiche Zusatzprobleme und Zusatzkosten verbunden, die bei dezentraler Planung gar nicht anfallen würden. Lassen Sie es uns konkret machen: Es beginnt schon damit, dass jetzt gerichtsfest definiert werden muss, was genau man unter einer Einzelaktivität zu verstehen hat. Wie steht es mit “Essen”? Muss man die Zeit für Kochen, Tischdecken, Nahrungsaufnahme und Abwasch insgesamt um 10 % kürzen – oder jeweils um 10 %? Was heißt Nahrungsaufnahme? Bezieht sich das gemeinsam oder getrennt auf Essen und Trinken, gemeinsam oder getrennt auf jeden Bissen und jeden Schluck? Sie sehen: Je kleinteiliger es wird, desto größer sind die Zumutungen einer im Detail nicht sinnvollen Verhaltensvorschrift.

 

auf + ab: Was heißt das für die Klimapolitik?

IP: Im Gedankenexperiment kommt es nur darauf an, dass im Tagesablauf insgesamt 60 Minuten eingespart werden, damit ein freier Zeitraum für Sport entsteht. Wo das geschieht, ist vollkommen egal. Analog ist es beim globalen Klimaschutz. Wichtig ist, dass weniger Kohlendioxid emittiert wird. Wo das geschieht, ist auch hier vollkommen egal. Der Analogieschluss bezieht sich darauf, dass es in beiden Fällen unerheblich ist, wie sich das verfügbare Zeit- oder Emissions-Budget auf die Einzelposten verteilt. Es muss nur verbindlich sichergestellt werden, dass eingespart wird. Insofern hat der Staat hier durchaus eine Rolle zu spielen. Er muss dafür sorgen, dass es eine kollektiv verbindliche Entscheidung gibt. Aber die Rolle des Staates wird weit überdehnt, wenn das Gewaltmonopol eingesetzt wird, um Detailvorschriften zu erlassen, die man besser der Privatinitiative überantworten sollte, damit auch tatsächlich dort eingespart wird, wo dies zu den geringsten Nachteilen führt. Die ökonomische Pointe lautet: Je kostengünstiger der Klimaschutz organisiert wird, desto mehr kann man sich davon leisten. Im Klartext: Die Entscheidung gegen eine marktkonforme Preissteuerung ist für den Klimaschutz kontraproduktiv.

 

auf + ab: Okay. Jetzt haben Sie die beiden Punkte Anpassung und Vermeidung abgehandelt. Wie steht es mit der dritten Dimension?

IP: Die dritte Strategie ist besonders wichtig und wird dennoch besonders vernachlässigt. Wir benötigen radikale Innovation.

 

auf + ab: Was meinen Sie damit?

IP: Mit gegebener Technologie kann man nur sehr begrenzt Klimaschutz betreiben, weil die globale Energienachfrage auf absehbare Zeit weiter dynamisch ansteigen wird. Chinas zunehmenden Energiehunger kann man mit Einsparungen auf deutschem Boden nicht wirksam kompensieren. Da stimmen die Proportionen einfach nicht. Aber mit radikalen Innovationen könnten wir von Deutschland aus dazu beitragen, dass der Energiehunger der Welt mit klimagünstigen Technologien befriedigt wird.

 

auf + ab: Bitte führen Sie das näher aus.

IP: Man muss das Klimaproblem als ein globales Problem konzeptualisieren und die Lösung dieses Problems dann vom Ende her denken. Lassen Sie mich das Argument auf wenige Kerngedanken zuspitzen. Erstens: Weltweit gibt es bedeutende Reserven an Öl, Kohle und Gas. Wenn diese fossilen Brennstoffe gefördert und genutzt werden, dann werden sie auch klimawirksam. Daraus folgt, zweitens, dass man dafür Sorge tragen muss, dass entweder die fossilen Brennstoffe ungenutzt im Boden verbleiben oder aber die von ihnen ausgehenden Kohlendioxidemissionen anschließend hinsichtlich ihrer Klimawirkung wieder neutralisiert werden. Die erste Option lässt sich realistischerweise nur dann durchsetzen, wenn es günstigere Verfahren der Energiegewinnung gibt, die den ökonomischen Wert des Bestandes an fossilen Brennstoffen radikal entwerten. Wir brauchen also hoch leistungsfähige Substitute. Die gibt es derzeit noch nicht. Aber sie könnten entwickelt werden. Dafür benötigt man ein groß angelegtes Programm staatlich finanzierter Grundlagenforschung und unternehmerisch ausgerichteter Anwendungsforschung. Eine Bepreisung von CO2, sofern sie überhaupt politisch durchsetzbar ist, wird allein auf sich gestellt nicht die nötige Anreizwirkung für massive Investitionsanstrengungen entfalten können. Zwar könnte das Aufkommen – mindestens teilweise – für die Finanzierung eines solchen Investitionsprogramms verwendet werden. Aber es wäre nicht sozialverträglich, den Preis so stark anzuheben, wie es nötig wäre, um für hinreichend effektive Innovationsanreize Sorge zu tragen. Deshalb sollte man zur Innovationsförderung ein eigenständiges Instrument einsetzen.[19]

 

auf + ab: Wie steht es um die zweite Option?

IP: Die zweite Option besteht in Technologien, die der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen oder anderweitig dafür sorgen, dass die Treibhausgaswirkung zusätzlicher Emissionen neutralisiert wird. Hierfür gibt es zahlreiche Ideen, bislang aber nur wenig Forschungsgeld. Da müssten die Prioritäten grundlegend neu justiert werden.

 

auf + ab: Warum stimmen die Prioritäten nicht?

IP: Genau das ist die zentrale Frage, die mich speziell als Wirtschaftsethiker interessiert.

 

auf + ab: Wie lautet Ihre Antwort?

IP: Um es mit einem einzigen Wort auszudrücken: Diskursversagen.

 

auf + ab: Das müssten Sie jetzt bitte erläutern.

IP: Das mache ich natürlich gern, zumal sich unter dem Aspekt des Diskursversagens interessante Parallelen entdecken lassen, wenn man die Auseinandersetzungen zum Ukraine-Krieg mit den Auseinandersetzungen zur Klimapolitik vergleicht.

 

auf + ab: Jetzt sind wir gespannt.

IP: In Sachen Klimapolitik gibt es keinen Mangel an moralischem Engagement. Aus meiner Sicht geht es aber nicht darum, ob dieses Engagement – klassisch formuliert: ob der “gute Wille” im Sinne Immanuel Kants – zu schwach oder vielleicht sogar zu stark ausgeprägt ist, sondern allein darum, ob die Stoßrichtung des Engagements stimmt. Und die stimmt eben leider nicht. Lassen Sie mich das als These zuspitzen: In Deutschland ist die klimapolitische Diskussion und damit letztlich auch die staatlich organisierte Klimapolitik von dem Gedanken beseelt, dass das gute Beispiel Schule machen möge. Allerdings haben wir es hier mit der Bereitstellung eines globalen öffentlichen Gutes zu tun. Wir sind also mit der Situationslogik eines sozialen Dilemmas konfrontiert. Da gibt es starke Anreize zum Trittbrettfahren. Folglich haben wir es mit einer Situation zu tun, in der das schlechte Beispiel Schule macht. Semantik und Sozialstruktur passen hier nicht zusammen. Die Semantik des Schule machenden guten Beispiels und die damit verbundene Vorstellung, dass Vermeidungs-Vorleistungen Nachahmer finden werden und dass es sogar “first-mover advantages” gibt, passt nicht zur Sozialstruktur des Schule machenden schlechten Beispiels, also nicht zur Situation, in der moralische Vorleistungen mit individuellen “first-mover disadvantages” bestraft werden. Da kann man mit gutem Willen allein nicht viel ausrichten. Ohne geeignete institutionelle Weichenstellungen läuft das moralische Engagement ins Leere. Auf diese Weise zieht ein Diskursversagen dann auf den nachgelagerten Ebenen gesellschaftlicher Lernprozesse ein Politikversagen und schließlich ein Marktversagen nach sich.

 

auf + ab: Aus Ihrer Sicht haben wir es bei der Klimapolitik also nicht nur mit einem ökonomischen, sondern auch mit einem wirtschaftsethischen Problem zu tun?

IP: Absolut ja! Lassen Sie es mich so formulieren: Die bislang weitgehend erfolglose Klimapolitik ist nicht nur ein moralisches Problem, sondern auch ein Problem der Moral – genauer: ein Problem der Moralkonfusion. Bestimmte moralische Dispositive (hier: mit gutem Willen Vorreiter sein zu wollen) stehen der Verwirklichung moralischer Anliegen (hier: einem global wirksamen Klimaschutz) im Wege. Deshalb setzt eine bessere Steuerung zunächst öffentliche Aufklärung voraus: Ohne Semantikreform lässt sich die Reform der Sozialstruktur, die wir im globalen Maßstab für gravierende Änderungen individuellen Verhaltens benötigen, nicht ins Werk setzen. Mit schlechten Ideen kann man keine gute Politik machen.

 

auf + ab: Was hat das mit dem Ukraine-Krieg zu tun?

IP: Um Analogien zu analysieren, müssen wir zunächst die Denkmuster identifizieren. Also stellen wir die ordonomische Leitfrage: Wie wird gedacht, wenn so gedacht wird, wie hier gedacht wird? Antwort: Die klimapolitische Diskussion folgt einem individualethischen Paradigma. Gefragt wird: Was soll ich tun? Und dabei wird der Fokus streng handlungstheoretisch, also aktionstheoretisch, darauf gelegt, dass die individuellen Ziele moralisch ausgerichtet – und notfalls aufgerüstet – werden. Das Motto lautet: Nur wer die richtigen Ziele hat, wird dann auch die richtigen Mittel wählen. Aus dieser Perspektive kommt es allein auf den guten Willen an. – Wir müssen das Problem aber nicht aktionstheoretisch, sondern inter-aktionstheoretisch denken. Hier geht es nicht um Handlungslogik, sondern um Systemlogik.

 

auf + ab: Was heißt das?

IP: Wir müssen berücksichtigen, dass wir beim Klimaschutz ein kollektives Problem haben, das kollektives Handeln erfordert. Hier lautet die richtige Frage nicht: “Was sollte ich wollen?”, sondern sie lautet: “Was wollen wir können?”. Das zu lösende Problem ist nicht auf der Ebene des guten Willens angesiedelt, nicht auf der Ebene individueller Ziele, sondern auf der Ebene der uns gemeinsam verfügbaren – und politisch beeinflussbaren – Mittel, der Instrumente. Wenn wir uns nur darauf konzentrieren, wie wir unser eigenes Verhalten ändern, stellen wir die falsche Frage. Wir müssen uns darauf konzentrieren, wie wir weltweit das Verhalten von Milliarden Menschen ändern können. Anders wird ein wirksamer Klimaschutz nicht zu haben sein. Und ferner: Wenn wir die richtige Frage mit Anstrengungen zu radikalen Innovationen beantworten, dann gibt es vielleicht sogar jene “first-mover advantages”, von denen die Vermeidungsvorreiter vergeblich träumen.

 

auf + ab: Nochmals: Was hat das mit dem Ukraine-Krieg zu tun?

IP: In der deutschen Diskussion ist gleich nach dem 24. Februar 2022 das Narrativ dominant geworden, den Ausbruch des Krieges aktionstheoretisch zu deuten, anstatt ihn inter-aktionstheoretisch als Versagen der gemeinsamen Sicherheitsarchitektur von Ost und West zu interpretieren. Die Leit-Meme waren: Das ist Putins Krieg. Er allein ist verantwortlich. Russlands Präsident hat die Katastrophe absichtlich herbeigeführt. Offensichtlich verfolgt er böse Absichten. Putin ähnelt Hitler. Putin ähnelt Stalin. Putin ist ein diabolischer Feind. – Entlang dieser Argumentationslinie wurde sogar wiederholt die Meinung vertreten, mit Putins Russland könne man zukünftig nie wieder Geschäfte machen und noch nicht einmal Friedensverhandlungen führen. – Wenn ich das aus dem ordonomischen Blickwinkel beobachte und analysiere, dann sehe ich als Wirtschaftsethiker zwei Denkfehler am Werk, die handlungstheoretisch, d.h. aktionstheoretisch getriggert sind und zu einseitig übertriebenen Moralurteilen motivieren: Der erste Denkfehler lautet: Putin ist irrational oder gar manifest verrückt. Der zweite lautet: Putin ist die Inkarnation des Bösen.

 

auf + ab: Sind Sie ein “Putin-Versteher”? Wollen Sie Putin entschuldigen oder seine Kriegsschuld relativieren?

IP: Erklären heißt nicht entschuldigen. Tout comprendre ce n’est pas tout pardonner. Ich bin dafür, positive Analyse und normative Analyse methodisch auseinanderzuhalten, anstatt Verstehen mit Verständnis gleichzusetzen, also eine Erklärung mit einer Bewertung zu konfundieren.

 

auf + ab: Bitte erläutern Sie das möglichst konkret.

IP: Im öffentlichen Diskurs über die Ukraine wird primär aktionstheoretisch, also im Schema “Ziel-Mittel-Ergebnis” gedacht. Angesichts eines moralisch in der Tat bedenklichen Ergebnisses schließt der erste Denkfehler auf falsche Mittelwahl, also auf mangelhafte Handlungsrationalität. Das heißt es dann: Putin ist verrückt. Der zweite Denkfehler schließt auf unmoralische Ziele, also auf hinterhältige, schlechte Absichten. Da heißt es dann: Putin ist böse. Richtig hingegen wäre es, interaktionstheoretisch zu rekonstruieren. Lassen Sie mich das sogleich an einem Beispiel illustrieren: Wenn ein Paar im Streit auseinandergeht, dann gibt es auf beiden Seiten ein starkes Bedürfnis, die “Schuld” an der Trennung jeweils allein der Gegenseite zuzuweisen. Das ist aber gar nicht hilfreich, wenn es darauf ankommt, das zukünftige Verhältnis neu zu ordnen. Da führt die Schuldfrage eher in die Sackgasse. Vergleichsweise konstruktiver ist es, die Frage nach kausaler Verursachung zu stellen, und wenn man das tut, erweist sich zumeist, dass es eine Verkettung unglücklicher Missverständnisse und darauf aufbauender Reaktionen, Gegenreaktionen und Gegengegenreaktionen gab, die auf eine wechselseitige Verursachung schließen lässt. In Situationen strategischer Interdependenz erübrigt sich oft die Annahme böser Absichten, sobald man die konkrete Situationslogik und ihre Charakteristik mutualistischer Kausalwirkungen dechiffriert hat.

 

auf + ab: Wie lässt sich das auf das Ukraine-Thema übertragen?

IP: Der Ukraine-Krieg offenbart ein tiefes Zerwürfnis zwischen Ost und West. Jetzt geht es darum, wie man weiteres menschliches Leid möglichst umgehend verhindern kann und wie man auf mittlere und lange Sicht friedliche Koexistenz und möglichst sogar politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Kooperation schrittweise wiederherstellt. Dafür ist es wichtig zu verstehen, was man selbst dazu beigetragen hat, die andere Seite zu Kriegshandlungen zu veranlassen – nicht um die Schuldfrage aufzuwerfen, sondern um die Weichenstellungen für unser zukünftiges Verhältnis konstruktiver vorzunehmen, als es uns in der Vergangenheit gelungen ist. Wie bei der Paartrennung nüchtern zu konstatieren ist, dass das Partnerschaftsarrangement versagt hat, muss man angesichts des Ukraine-Krieges nüchtern konstatieren, dass die nach 1990 von Ost und West ins Werk gesetzte Sicherheitsarchitektur versagt hat. Und analog zum Paar muss man sich darüber verständigen, wo gemeinsame Interessen liegen, die man gemeinsam verfolgen will, und wo man stattdessen lieber getrennte Wege gehen will. Die moralische Obsession mit vergangener Schuld hält uns davon ab, den Blick nach vorn zu richten und die relevanten Zukunftsfragen zu stellen. Ähnlich wie in der Klimapolitik laufen wir bei der gegenwärtigen Kriegspolitik Gefahr, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren und aufgrund dieser Moralkonfusion Maßnahmen zu ergreifen, die wenig produktiv und womöglich sogar kontra-produktiv sind. Angesichts solcher Gefährdungslagen ist es nach meinem Verständnis nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht eines Wirtschaftsethikers, sich öffentlich zu Wort zu melden – nicht obwohl, sondern gerade weil man damit gegen den Strom schwimmt.[20]

 

auf + ab: Bei welchen Themen schwimmen Sie noch gegen den Strom?

IP: Lassen Sie mich nicht mit einzelnen Themen antworten, sondern mit einem Muster, das man bei einzelnen Themen oft wiederfindet.

 

auf + ab: Einverstanden.

IP: Die deutsche Sprache kennt den Gegensatz zwischen “eigennützig” und “uneigennützig”. Damit leistet sie einer Dichotom(an)ie Vorschub, die bei vielen Themen zu Diskursversagen führt.

 

auf + ab: Das müssten Sie bitte erläutern.

IP: Das Wort “eigennützig” insinuiert, dass der eigene Vorteil zu Lasten anderer gesucht wird. Umgekehrt insinuiert das Wort “uneigennützig”, dass die Gewährung von Vorteilen für andere zu eigenen Lasten geht. Das Wort “eigennützig” evoziert für das Verhältnis von ego und alter die Vorstellung von Win-Lose, das Wort “uneigennützig” die Vorstellung von Lose-Win.

 

auf + ab: Das kann man nachvollziehen. Aber inwiefern liegt hier Ihrer Meinung nach überhaupt ein Problem vor?

IP: Ein Problem liegt vor, weil die deutsche Sprache an dieser Stelle blind ist für zwei andere Konstellationen. Sie ist einerseits blind für den Fall, dass mein absichtlich uneigennütziges Verhalten anderen schadet. Und sie ist andererseits blind für den noch weitaus wichtigeren Fall, dass mein intendiert eigennütziges Verhalten anderen Menschen Vorteile gewährt. Der blinde Fleck liegt auf Konstellationen von Lose-Lose und Win-Win, auf Konstellationen kollektiver Selbstschädigung, wie sie für soziale Dilemmata typisch sind, und auf Konstellationen wechselseitiger Vorteilsgewährung, wie sie für Tauschhandlungen im Markt typisch sind, aber auch für institutionelle Reformen zur Überwindung sozialer Dilemmata.

 

auf + ab: Könnten Sie das bitte konkreter machen?

IP: Wenn Sie auf das Muster des Tradeoff-Denkens achten, auf den Dualismus von Win-Lose, den ich als Dichotom(an)ie bezeichne, dann werden Sie im Hinblick auf öffentliche Diskurse sensibel dafür, dass wir seit geraumer Zeit von einer Springflut schlechter Ideen überschwemmt werden, weil die ehemaligen Qualitätsmedien ihrer Filterfunktion offenbar nicht mehr gerecht werden (können) und deshalb gemeinsam mit den neuen (un)sozialen Medien eher wie Durchlauferhitzer für immer neue Empörungswellen fungieren. Anstatt schlechte Ideen frühzeitig zu hinterfragen und gegebenenfalls auszusortieren, werden sie heute mit größter Lautstärke in die Welt hinausposaunt und erzeugen eine gesellschaftliche Resonanz, die leicht dazu führen kann, dass bei einzelnen Themen die Politikprozesse entgleisen.

 

auf + ab: Beispiele?

IP: Die gibt es zuhauf. Denken Sie nur an die Misere auf dem Wohnungsmarkt. Berlin betreibt – wie andere Großstädte auch – eine Politik, die einerseits durch direkte und indirekte Subventionierung die Wohnungsnachfrage anheizt, andererseits die Zunahme des Wohnungsangebots stark reglementiert und sogar stranguliert. Angesichts steigender Preise wird dann eine Medizin verordnet, die die bereits vorhandene Knappheit weiter verschärft. Schließlich wird der Diskurs empörungsrhetorisch geflutet, bis eine Wutwelle nach der anderen durch die Stadt schwappt. Das setzt die Politik massiv unter Handlungsdruck. So entsteht eine Interventionsspirale, die durch hoch emotionalisierte Moralkommunikation (und inkompetente Kausalzurechnungen) immer weiter befeuert wird, weil viele Menschen nicht mit der ökonomischen Einsicht vertraut sind, dass der Preisdruck nach oben – interaktionstheoretisch und damit unabsichtlich – vom Nachfrageüberschuss ausgeht und eben nicht – vermeintlich aktionstheoretisch – darauf zurückzuführen ist, dass eigennützige Anbieter willkürlich den Preis anheben, um sich an den Nachfragern zu bereichern. Schließlich endet das in einer offenbar zunehmenden Popularität für Enteignungsforderungen. – Als Wirtschaftsethiker kann ich da nur sagen: Viele Bürger wissen nicht, dass sie nicht wissen, was sie nicht wissen. Hier tut Aufklärung Not. Sonst bekommen wir eine Politik, die immer kurzatmiger wird und schließlich mit aufgeregter Hyperventilation kollabiert.

 

auf + ab: Sie diagnostizieren eine Krise der Demokratie?

IP: Ich diagnostiziere eine Krise der Medien, die unweigerlich eine Krise der Demokratie nach sich zieht. Die Arena kollektiver Selbstverständigung weist gravierende Funktionsdefizite auf. Im angloamerikanischen Sprachraum ist das derzeit weiter vorangeschritten als in Kontinentaleuropa und insbesondere im deutschen Sprachraum, aber es ist auch bei uns deutlich zu beobachten. Wahrscheinlich ist das Aufkommen der (un-)sozialen Medien dafür zumindest mitverantwortlich.[21] Durch sie steigt der Lautstärke- und Adrenalinpegel der öffentlichen Diskussion. Moralische Empörung wird zum exaltierten Dauerton der Debatten. Metaphorisch ausgedrückt, leidet die Öffentlichkeit unter einer Art Ohrensausen, einem medialen Tinnitus. Das sorgt für Orientierungsschwierigkeiten. Damit geht der demokratischen Politik gewissermaßen ihr Kompass verloren. Ich diskutiere das unter dem Stichwort “Diskursversagen”. Es geht um die epistemische Verfassung der Gesellschaft, insbesondere ihrer Politikprozesse. Wutwellen führen dazu, dass gute Ideen zunehmend von schlechten verdrängt werden. Hier gibt es deutliche Indizien für Abwärtsspiralen, die auf eine Orientierungskrise der Demokratie schließen lassen.

 

auf + ab: Sie prophezeien das Ende der Demokratie?

IP: Nein, das nicht. Ich gehöre ganz grundsätzlich nicht zu denen, die bei jeder Krisenerscheinung gleich den Untergang des Abendlandes beklagen oder – das ist im politischen Spektrum die spiegelbildliche Variante – den Untergang des Kapitalismus herbeiwünschen. Das westliche Zivilisationsmodell – verkürzt gesagt: Rechts- und Sozialstaat plus wissensbasierte Wachstumsökonomie – kann für Jahrhunderte weiterhin sehr erfolgreich sein.[22] Aber man muss wissen: Es ist fragil. Es ist krisenanfällig. Und es ist darauf angewiesen, dass in Krisen gegengesteuert wird. Im konkreten Fall müssen wir uns darauf besinnen, mit den (un)sozialen Medien besser umzugehen. Sonst verlernen wir, was uns erfolgreich gemacht hat.

 

auf + ab: Woran machen Sie das fest?

IP: Derzeit sieht es so aus, dass wir zunehmend verlernen, von den Vorzügen der Marktwirtschaft klug Gebrauch zu machen. In der Öffentlichkeit gerät immer mehr in Vergessenheit, wo wir mit Hilfe von Wettbewerbsanreizen unternehmerisches Verhalten für die Verfolgung moralischer Gesellschaftsanliegen bereits heute erfolgreich in Dienst nehmen – und es gerät aus dem Blick, wie wir unternehmerisches Verhalten mit seinen Systemfunktionen der Kosteneffizienz, Innovationsdynamik und Wohlstandsdiffusion für derzeit noch unbewältigte Herausforderungen zukünftig viel stärker in Dienst nehmen könnten.[23] Hier beobachte ich eine große und offenbar zunehmende Orientierungslosigkeit. Und genau das motiviert mich, bei einzelnen Themen mal öffentlich gegen den Strom zu schwimmen.

 

auf + ab: Zurück zu dem von Ihnen diagnostizierten Sprachdefizit. Hätten Sie noch ein weiteres Beispiel für Probleme mit “Eigennutz”?

IP: Denken Sie an die Diskussion um Sterbehilfe. Hier war es den im Bundestag versammelten Parteien sehr wichtig, dass mit Sterbehilfe niemand Gewinne erwirtschaften darf.

 

auf + ab: Und jetzt fragen Sie wieder ordonomisch: Wie wird gedacht, wenn so gedacht wird, wie hier gedacht wird?

IP: Genau. Und zwar am besten so, dass man nach Analogien fahndet, um die Qualität dieses Moralurteils zu überprüfen. Hierbei habe ich nicht die juristische Konsistenzprüfung im Blick, die etwa angesichts des Tatbestands, dass die Selbsttötung kein kriminelles Verhalten darstellt, fragen könnte, ob es rechtspolitisch vernünftig ist, die Beihilfe zur Selbsttötung zu kriminalisieren. Damit sollen sich Juristen auseinandersetzen. Als Wirtschaftsethiker beschäftigt mich eher eine andere Überlegung. Nehmen Sie als Analogie den (im direkten Vergleich moralisch viel problematischeren) Schwangerschaftsabbruch. Wenn wir hier das Prinzip anwenden wollten, dass man mit Abtreibungen kein Geld verdienen darf, dann würden wir die betroffenen Frauen wieder ins Ausland oder auf den inländischen Schwarzmarkt verweisen, wo sich dann “Engelmacherinnen” um sie kümmern, aber nicht approbierte Ärzte in Kliniken. Das hatten wir schon. Der Blutzoll war hoch. Das wollen wir nicht wieder. Hier gibt es “lessons (to be) learned”. Und dies wiederum zieht folgende Fragen nach sich: Warum sollte man Sterbewilligen eine professionalisierte Hilfe vorenthalten? Warum sollte man darauf verzichten, die für Organisationen bewährten Governance-Institutionen der Haftung und Reputation einzusetzen, um die Anreize für Sterbehelfer so zu regulieren, dass alle Beteiligten und Betroffenen mit den Ergebnissen zufrieden sein können?

 

auf + ab: Geht es Ihnen um Laissez-faire? Sind Sie ein Marktfundamentalist?

IP: Mir geht es nicht um institutionelle Anarchie, sondern um einen Ordnungsrahmen für neu zu schaffende Märkte. Ich möchte sicherstellen, dass die existenziellen Bedürfnisse von Nachfragern durch ein qualitativ hochwertiges Angebot professionell bedient werden können. Unter diesem Blickwinkel befürworte ich beispielsweise auch, dass wir davon ablassen sollten, Marktarrangements für Nierentransplantationen zu verbieten. Ich kritisiere den Status quo dieser Prohibition als unterlassene Hilfeleistung. Aus meiner Sicht ist dieser Status quo ein moralischer Skandal ersten Ranges. – Fundamentalistisch ist also nicht mein Plädoyer für intelligent geordnete Märkte, sondern die marktfeindliche Einstellung, die zwar lautstark moralistisch auftritt, in Wirklichkeit aber unmoralische Konsequenzen erzeugt: Wir opfern hier Menschenleben auf dem Altar argumentationsarmer Gedankenlosigkeit.

 

auf + ab: Haben Sie noch ein weiteres Beispiel für Probleme mit “Eigennutz”?

IP: In jüngster Zeit ist die Diskussion um Agrarspekulation wieder in den Medien.[24] Wie schon gesagt: Schlechte Ideen sterben nicht aus. Sie werden neuerdings sogar bedenkenlos recycelt. Wie schon vor zehn Jahren lautet der Vorwurf, dass Agrarspekulanten Hungermacher sind, und es wird die Forderung erhoben, dass man verbieten sollte, mit dem Hunger armer Menschen Geschäfte zu machen.

 

auf + ab: Das hört sich doch plausibel an.

IP: Wenn es so formuliert wird, ja. Aber die Formulierung ist irreführend. Medien und Öffentlichkeit müssten meines Erachtens konsequent(er) darauf bedacht sein, die richtigen Fragen zu stellen bzw. die Fragen richtig zu stellen. Um es konkret zu machen: Wenn man die falsche Frage stellt: “Ist es unmoralisch, mit dem Hunger, der Krankheit und Not anderer Menschen Geld zu verdienen?”, dann kann es sehr leicht als plausibel erscheinen, dass man Bäckern, Ärzten und Feuerwehrleuten ihr Handwerk verbieten sollte. Aber das ist doch absurd. Wie unsinnig diese Denkungsart ist, erkennt man freilich erst, wenn man als Kontrast die richtige Frage stellt. Und die lautet: “Ist es wirklich unmoralisch, mit der Linderung von Hunger, Krankheit und Not anderer Menschen Geld zu verdienen?”. Wir dürfen die Aktivitäten von Bäckern, Ärzten und Feuerwehrleuten nicht dichotom(an)isch im Tradeoff-Paradigma von Win-Lose wahrnehmen, sondern wir müssen unseren Blickwinkel dafür öffnen, dass es sich um Win-Win-Interaktionen handelt, die man gründlich missversteht, wenn man sie als entweder “eigennützig” oder “uneigennützig” einsortieren will. Das gilt auch für die Agrarspekulation. Wir müssen lernen, aus diesem Tradeoff-Denken auszusteigen und intelligentere Fragen zu stellen. Die Ordonomik verwendet hierfür den Fachbegriff einer “orthogonalen Positionierung”. Das meint einen Wechsel der Denkrichtung um 90°: von Win-Lose auf Win-Win. Stellt man die Frage nach der Moral richtig, dann sieht man schnell: Bäcker verdienen ihr Geld damit, die Kunden mit Brot zu versorgen; Ärzte leben davon, ihre Patienten zu heilen; Feuerwehrleute retten Menschen vor dem und manchmal sogar aus dem Feuer. Agrarspekulanten helfen, Hungerkrisen vorzubeugen. Die Wahrheit liegt also jenseits des Tradeoffs von Eigennützigkeit und Uneigennützigkeit. Tertium datur!

 

auf + ab: Was halten Sie von der Idee, eine soziale Dienstpflicht einzuführen?

IP: Gar nichts.

 

auf + ab: Warum?

IP: Wir haben seit kurzem ein neues Gesetz. Es heißt “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”. Damit wollen wir sicherstellen, dass bis in die tiefsten Verästelungen der globalen Wertschöpfungsnetzwerke deutscher Unternehmen keine Zwangsarbeit (“forced labor”) eingesetzt wird. Und praktisch zeitgleich gibt es jetzt den Vorschlag, in Deutschland junge Menschen zu verpflichten, Sozialdienst zu leisten. Ich finde das unfreiwillig (tragi)komisch. Solche Dienstzeiten haben geringe fiskalische Kosten, aber die volkswirtschaftlichen Kosten, die die junge Generation vor allem in Form von dynamischen Verdienstausfällen zu schultern hat, sind enorm.

 

auf + ab: Was verstehen Sie unter dynamischen Verdienstausfällen?

IP: Aus ökonomischer Sicht kommt es immer auf die relevanten Opportunitätskosten an. Die aber muss man richtig messen. Diese Kosten werden dramatisch unterschätzt, wenn man nur fragt, was die Dienstverpflichteten in dieser Zeit anderweitig hätten verdienen können. Stattdessen kommt es darauf an, den Effekt über den Lebenszyklus abzuschätzen. Und hierbei ist zu bedenken, dass die Dienstzeit ja genau in das Lebensalter fällt, in dem junge Menschen typischerweise in ihr Humankapital investieren. Vor diesem Hintergrund halte ich eine soziale Dienstpflicht für eine ausgesprochen schlechte Idee.

 

auf + ab: Stehen noch weitere Punkte auf Ihrer Liste schlechter Ideen?

IP: Meine Liste ist lang. Bedenken Sie nur die Wohlfühl-Slogans “Klima oder Kapitalismus”, “De-Growth” oder “Gemeinwohlökonomie” – allesamt radikale Absagen an marktwirtschaftliche Systemstrukturen. Ferner weisen sie die Gemeinsamkeit auf, dass eine nüchterne Folgenabschätzung erwarten lässt, dass die erwünschten Effekte nicht eintreffen werden und man sich stattdessen (und völlig unnötigerweise) gravierende neue Probleme einhandeln wird. Dieser Konjunktur schlechter Ideen kann man nur mit Aufklärung begegnen. Und hier darf ich nochmals an Immanuel Kant erinnern, der von selbstverschuldeter Unmündigkeit sprach und seine Hoffnung darauf setzte, dass es gelingen werde, sich kompetent des eigenen Verstandes zu bedienen. Ich denke, als Bürger müssen wir darauf achten – und sogar darauf drängen -, unsere politischen Diskurse (wieder) nüchterner und sachorientierter zu führen. Ein hoher Adrenalinpegel hilft nicht, ein höheres Kompetenzniveau hingegen schon. Die vor uns liegenden Herausforderungen sind eigentlich viel zu ernst, als dass man sich damit begnügen – und vergnügen – dürfte, in der politischen Öffentlichkeit Diskurse zu führen, die reich an Emotionen sind, aber arm an Sachkenntnis. Wir müssen den Leistungsdruck auf die streitenden Parteien erhöhen, die öffentliche Auseinandersetzung nur mit fundierten Argumenten erfolgreich bestreiten zu können.

 

auf + ab: Noch mal zurück zum Lieferkettengesetz. Sind Sie dafür oder dagegen?

IP: Das kommt auf die Konsequenzen an. Und die kann man gegenwärtig noch nicht sicher einschätzen. Viel wird davon abhängen, wie es konkret umgesetzt wird. Da gibt es Spielräume in die eine oder andere Richtung.

 

auf + ab: Wo sehen Sie mögliche Probleme?

IP: Wenn ich mich nicht täusche, wird der Aufwand für Zertifizierung zunehmen. Das sind Fixkosten. Große Unternehmen in der Dritten Welt können das besser stemmen als kleine. Es könnte also sein, dass ganz gegen die gute Absicht unser Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auf viele Kleinunternehmen wie eine Markteintrittsbarriere wirkt – und damit die Armut sowie die Menschenrechtssituation partiell sogar verschlechtert. Der Name des Gesetzes lässt auf ein Bürokratiemonster schließen. Da wird in der konkreten Anwendungspraxis sehr viel Pragmatismus erforderlich sein, damit sich nicht die alte Weisheit bestätigt: nomen est omen.

 

auf + ab: Was würden Sie stattdessen empfehlen?

IP: Lassen Sie mich zunächst mit einer Anekdote antworten. Mir hat mal ein afrikanischer Ökonom Folgendes gesagt: In Afrika brauchen wir Pro-Kopf-Wachstum. Dafür benötigen wir das unternehmerische Engagement des Westens. Ihr aber schickt uns NGOs. – Das hat mir sehr zu denken gegeben.

 

auf + ab: Was wollen Sie uns damit sagen?

IP: Theoretisch übersetzt heißt das: Es gibt zwei Möglichkeiten, Armut zu bekämpfen und damit letztlich auch die Umweltstandards, Sozialstandards und Menschenrechtsstandards in derzeit noch armen Staaten anzuheben. Die erste Möglichkeit setzt auf endogenen Wandel durch Wirtschaftswachstum, die zweite auf exogene Intervention. Die erste Option aktiviert das Wollen vor Ort. Die zweite Option operiert mit einem von außen verordneten Müssen. – Vor diesem Hintergrund bin ich skeptisch. Wir haben bislang jedenfalls keine guten Erfahrungen damit gemacht, anderen Ländern unsere Vorstellung von Fortschritt zu oktroyieren. Demokratie lässt sich nicht verordnen. Aber wir könnten sehr viel dafür tun, die Bedingungen für endogene Demokratisierungsfortschritte zu verbessern.[25] Insofern bin ich nicht generell dagegen. Wie gesagt: Mir kommt es auf die konkreten Konsequenzen an. Insofern vertrete ich hier eine differenzierte Position, die ich ungern auf ein Ja oder Nein verkürzen möchte. Aber lassen Sie es mich so sagen: Höhere Standards sind für die Betroffenen nicht immer gut.[26]

 

auf + ab: Haben Sie noch ein Schlusswort für uns?

IP: In der Tat fällt mir ein aperçu ein, das vielleicht nicht nur zum Ukraine-Krieg und zur Klimapolitik ganz gut passt, sondern auch zur zunehmend unternehmensfeindlich auftretenden Empörungsrhetorik, zur von Enteignungsphantasien beflügelten Berliner Wohnungspolitik und generell zur Konjunktur schlechter Ideen. Die Formulierung stammt von Friedrich Nietzsche, dessen Moralphilosophie die Ordonomik zahlreiche Inspirationen verdankt, angefangen von seiner Kritik mitleidsethischer Übertreibungen über seine feinsinnigen moralpsychologischen Beobachtungen und Reflexionen bis hin zu seinen Überlegungen zur Genealogie der Moral(semantik). Nietzsche legt den Finger in die Wunde der Dichotom(an)ie des Tradeoff-Wahrnehmungsrahmens, die sich als Freund-Feind-Denken manifestiert. Hierzu liest man in seinem Buch “Morgenröte” – gewissermaßen als “ordonomischen” Denkanstoß avant la lettre – folgenden Aphorismus: “Auf einen Feind los. – Wie gut klingen schlechte Musik und schlechte Gründe, wenn man auf einen Feind los marschiert!”[27]

 

Literatur

Aghion, Philippe, Céline Antonin und Simon Bunel (2021): The Power of Creative Destruction. Economic Upheaval and the Wealth of Nations, Cambridge, Mass. und London: The Belknap Press of Harvard University Press.

Beschorner, Thomas, Guido Palazzo, Peter Seele und Markus Scholz (2022): Raus aus Russland. Jetzt., seit dem 20.3.2022 im Internet unter: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2022-03/russland-krieg-verantwortung-unternehmen-ukraine (letzter Zugriff am 24.6.2022).

Deutsch, David (2011): The Beginning of Infinity. Explanations that Transform the World, London u.a.O.: Penguin Books.

Eichenberger, Reiner und David Stadelmann (2022): Sanktionen wirken oft kontraproduktiv, seit dem 24.6.2022 im Internet unter: https://www.handelsblatt.com/downloads/28452124/2/2022-06-24-kommentarsanktionen.pdf?utm_source=nl&utm_medium=email&utm_campaign=&utm_content=24062022 (letzter Zugriff am 24.6.2022).

Haidt, Jonathan (2022): Why the past 10 years of American life have been uniquely stupid, seit dem 11. April 2022 im Internet unter: https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2022/05/social-media-democracy-trustbabel/629369/ (letzter Zugriff am 15.04.2022).

Hartwig, Karl-Hans und Ingo Pies (1995): Rationale Drogenpolitik in der Demokratie. Wirtschaftswissenschaftliche und wirtschaftsethische Perspektiven einer Heroinvergabe, Tübingen: Mohr-Siebeck.

IPCC (2018): Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty, im Internet unter: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/2/2022/06/SR15_Full_Report_HR.pdf (letzter Zugriff am 20.6.2021).

Nietzsche, Friedrich (1881): Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile. Im Internet unter: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Morgenr%C3%B6te (letzter Zugriff am 20.6.2021).

North, Douglass C., John Joseph Wallis und Barry R. Weingast (2009): Violence and Social Orders. A Conceptual Framework for Interpreting Recorded Human History, Cambridge u.a.O.: Cambridge University Press.

Pies, Ingo (1993): Normative Institutionenökonomik. Zur Rationalisierung des politischen Liberalismus, Tübingen: Mohr-Siebeck.

Pies, Ingo (2000): Ordnungspolitik in der Demokratie. Ein ökonomischer Ansatz diskursiver Politikberatung, Tübingen: Mohr-Siebeck.

Pies, Ingo (2007): Markt versus Staat? – Über Denk- und Handlungsblockaden in Zeiten der Globalisierung, in: Politisches Denken. Jahrbuch 2006/2007, hrsg. von K. Graf Ballestrem, V. Gerhardt, K. Ottmann, M.P. Thompson und B. Zehnpfennig, Berlin, S. 259-293.

Pies, Ingo (2008): Wie bekämpft man Korruption? Lektionen der Wirtschafts- und Unternehmensethik für eine ‘Ordnungspolitik zweiter Ordnung’, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2009a): Moral als Heuristik. Ordonomische Schriften zur Wirtschaftsethik, hrsg. von Ingo Pies, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2009b): Moral als Produktionsfaktor. Ordonomische Schriften zur Unternehmensethik, hrsg. von Ingo Pies, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2012): Regelkonsens statt Wertekonsens: Ordonomische Schriften zum politischen Liberalismus, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2013): Sind hohe Standards immer gut? – Eine wirtschaftsethische Perspektive, in: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 93. Jahrgang, Heft 4 (April 2013), S. 225-229.

Pies, Ingo (2016): Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie. Von Karl Marx bis Milton Friedman, Tübingen: Mohr-Siebeck.

Pies, Ingo (2018): Hunger durch Agrarspekulation? – Zur Analyse eines zivilgesellschaftlichen Fehl-Alarms, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2022a): Kapitalismus und das Moralparadoxon der Moderne, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2022b): 30 Jahre Wirtschafts- und Unternehmensethik. Ordonomik im Dialog, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Pies, Ingo (2022c): Disruptive Belohnung – Ein (wirtschafts-)ethischer Denkanstoß zur Befriedung des Ukraine-Kriegs, Diskussionspapier Nr. 2022-08 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=61613&elem=3418520 (letzter Zugriff 14.4.2022).

Pies, Ingo (2022d): Moral versus Ethik: Nachdenkliches zum Ukraine-Krieg, Diskussionspapier Nr. 2022-10 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=61615&elem=3416453 (letzter Zugriff 14.4.2022).

Pies, Ingo (2022e): Angst ist kein guter Ratgeber – Wut auch nicht: Ordonomische Reflexionen zum Ukraine-Krieg, Diskussionspapier Nr. 2022-12 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=61507&elem=3417182 (letzter Zugriff 14.4.2022).

Pies, Ingo (2022f): Moralische Verpflichtung zum Wirtschaftskrieg?, in: ifo Schnelldienst, Sonderausgabe April 2022, 75. Jahrgang, S. 19-22.

Pies, Ingo (2022g): Wut ist kein guter Ratgeber, in: FAZ Nr. 85 vom 11. April 2022, S. 16.

Pies, Ingo (2022h): Wirtschaftsethik in Zeiten des Krieges – Ordonomische Reflexionen zur Theorie und Praxis der Konfliktlösung, Diskussionspapier Nr. 2022-13 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=61810&elem=3422245 (letzter Zugriff 24.4.2022).

Pies, Ingo (2022i): Wahrnehmungsmuster des Ukraine-Krieges – Eine ordonomische Diskursanalyse, Diskussionspapier Nr. 2022-14 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=62205&elem=3422243 (letzter Zugriff 15.6.2022).

Pies, Ingo (2022j): Hunger durch Agrarspekulation? – Lessons (not) learned, Diskussionspapier Nr. 2022-15 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle. Im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=62148&elem=3422244 (letzter Zugriff am 20.6.2022).

Pies, Ingo (2022k): Management-Kompetenzen für nachhaltige Wertschöpfung – Anregungen aus ordonomischer Sicht, Diskussionspapier Nr. 2022-06 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle. Im Internet unter: https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=61463&elem=3416451 (letzter Zugriff am 20.6.2022).

Pies, Ingo und Walter Reese-Schäfer (Hrsg.) (2010): Diagnosen der Moderne: Weber, Habermas, Hayek, Luhmann, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb).

Schelling, Thomas C. (1960, 1980): The Strategy of Conflict, Cambridge, Mass. und London: Harvard University Press.

 

Fussnoten

[1] Vgl. hierzu die gerade erschienenen Buchpublikationen Pies (2022a) und (2022b).

[2] Vgl. Pies (2022c; S. 2).

[3] Vgl. Beschorner et al. (2022).

[4] Pies (2022d; S. 7, H.i.O.). Vgl. auch Pies (2022f) und (2022g).

[5] Vgl. hierzu Pies (2022e), (2022h) sowie (2022i).

[6] Für die sozialwissenschaftlichen Grundlagen der Ordonomik vgl. ausführlich Pies (2016).

[7] Vgl. Pies (1993).

[8] Vgl. Hartwig und Pies (1995).

[9] Vgl. Pies (2000).

[10] Vgl. Pies (2008).

[11] Vgl. Pies (2018).

[12] Vgl. Pies (2009a).

[13] Vgl. Pies (2009b).

[14] Vgl. Pies und Reese-Schäfer (2010).

[15] Vgl. Pies (2012).

[16] Für eine ausführliche Kritik des Habermas-Ansatzes vgl. Pies (2007).

[17] Vgl. https://www.ipcc.ch/.

[18] Vgl. IPCC (2018).

[19] Vgl. hierzu ausführlich Aghion et al. (2021; Kapitel 9).

[20] Zum Thema “Wirtschaftssanktionen” vgl. auch die ausgesprochen sachkompetente Stellungnahme von Eichenberger und Stadelmann (2022), mit der sie – vielleicht etwas spät, aber hoffentlich nicht zu spät – der Vernunft eine öffentliche Stimme verleihen. Man sieht hier sehr schön, dass bei solchen Fragen, wenn sie denn gründlich durchdacht sind, Ökonomik und Moral immer Hand in Hand gehen.

[21] Vgl. Haidt (2022).

[22] Vgl. hierzu grundlegend Deutsch (2011), der die epistemischen Grundlagen des Wachstums sehr gut erläutert.

[23] Zu den Konsequenzen für die Management-Ausbildung vgl. Pies (2022k).

[24] Vgl. hierzu kritisch Pies (2022j).

[25] Vgl. hierzu ausführlich North et al. (2009).

[26] Vgl. hierzu ausführlich Pies (2013).

[27] Nietzsche (1881; 4. Buch, Aphorismus Nr. 557, H.i.O.).

[28] Als kostenloser Download unter http://ethik.wiwi.uni-halle.de/forschung. Hier finden sich auch die Diskussionspapiere der Jahrgänge 2003-2018.

[29] Als kostenloser Download unter http://ethik.wiwi.uni-halle.de/forschung.

 

HINWEIS:

Erschienen als Diskussionspapier Nr. 2022-16 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hrsg. von Ingo Pies, Halle 2022

 

 

Der Autor

Prof. Dr. Ingo Pies

Prof. Dr. Ingo Pies, Jg. 1964, ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dort arbeitet er an einem “ordonomischen” Forschungsprogramm. 2022 sind hierzu im Wissenschaftlichen Verlag Berlin (wvb) zwei Bücher von ihm erschienen: (a) Kapitalismus und das Moralparadoxon der Moderne; (b) 30 Jahre Wirtschafts- und Unternehmensethik: Ordonomik im Dialog.

 

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